„Schläge und Isolation sind an der Tagesordnung“

Missstände in Heimen für schwer erziehbare Kinder und Jugendliche aufgedeckt

Die Realität übertrifft allzu häufig die Fiktion. Das hat sich unlängst wieder einmal erwiesen, als ein im Fernsehen ausgestrahlter Dokumentarfilm schier unglaubliche Missstände in spanischen Heimen für schwer erziehbare Kinder und Jungendliche ans Tageslicht brachte.

Madrid – Wochen zuvor war mit ausgesprochen guten Einschaltquoten eine Mini-TV-Serie ausgestrahlt worden, bei der es um eine Gruppe Jugendlicher ging, die in einem Heim für schwer Erziehbare mit unglaublich brutalen Methoden gequält wurden. Als spannend aber unrealistisch war diese fiktive Serie von vielen kritisiert worden. Kaum einer hätte es damals noch für möglich gehalten, dass solche, zumindest aber erschreckend ähnliche Zustände in spanischen Heimen herrschen könnten.

Doch weit gefehlt. Der mit versteckter Kamera gedrehte Doku-Film hat Unglaubliches ans Tageslicht gebracht und eine regelrechte Lawine losgetreten. Kurz darauf wurden die Missstände auch vom spanischen Volksverteidiger, dem sogenannten Defensor del Pueblo, angeprangert. In einem fast 500 Seiten umfassenden Bericht, der nun dem Abgeordnetenkongress vorliegt, werden detailliert Missstände aufgeführt, die in zahlreichen mit staatlichen Geldern finanzierten Zentren für schwer erziehbare Kinder und Jugendliche an der Tagesordnung zu sein scheinen. Im Rahmen der für den Bericht durchgeführten Ermittlungen sind in den letzten zwei Jahren 27 der insgesamt 58 in Spanien existierenden Heime überprüft worden.

Die dort untergebrachten Kinder und Jugendlichen haben weder gegen das Gesetz verstoßen, noch wurden sie aufgrund eines gerichtlichen Beschlusses in die Zentren eingewiesen. Ihr einziges „Vergehen“ war, dass sie als „verhaltensgestört“ eingestuft wurden, sprich psychologische Probleme hatten oder drogenabhängig waren und infolge dieser Probleme unter die Vormundschaft des Staates gestellt wurden.

Die angeprangerten Missstände sind unter anderem körperliche Züchtigungen, die oft einen Grad an Brutalität ungeahnten Ausmaßes annahmen, medikamentöse Ruhigstellung und Zwangsverabreichung von Medikamenten, tagelange Isolierung von den anderen Heimbewohnern sowie exzessive Kontrolle der Heiminsassen, die als eine deutliche Verletzung ihrer Intimsphäre gewertet werden könnte.

Für diese Heime zuständig sind die Regierungen der autonomen Regionen, die die Leitung allerdings bis auf wenige Ausnahmen privaten Unternehmen anvertraut haben. Ebenfalls angeprangert wird in diesem Zusammenhang, dass es keine einheitliche Regeln in diesen Heimen gibt, sondern jede Heimleitung mehr oder weniger nach eigenem Gutdünken handelt. Hinzu kommt, dass die Bezahlung des Personals meist so schlecht ist, dass größtenteils hoffnungslos unterqualifizierte Mitarbeiter eingestellt werden. Die schlechte Bezahlung führt auch dazu, dass das Personal häufig wechselt, sodass keine Vertrauensbeziehungen zwischen Kindern und Erziehern aufgebaut werden können.

In diesem Zusammenhang wurde auch bekannt, dass einige der autonomen Regionen schon seit langem über die in den Heimen herrschenden Zustände informiert waren, jedoch nichts unternahmen. Anonyme Briefe und Warnungen ehemaliger Angestellter wurden einfach ignoriert.

Die Zentralregierung hat jetzt die Staatsanwaltschaft beauftragt, die Vorwürfe zu überprüfen und die in den Heimen herrschenden Zustände zu untersuchen. Zwar falle dies nicht direkt unter die Kompetenzgewalt der Zentralregierung, aber angesichts der Passivität der Regionalregierungen und der Schwere der Vorwürfe, könne man nicht untätig bleiben, erklärte die spanische Sozialministerin Mercedes Cabrera.