Miguel Zerolo verblüffte in einer Ratssitzung seinen Koalitionspartner und auch die Opposition
In Spanien ist der Dienstag der 13. so etwas wie für uns Deutsche der Freitag der 13. Für den Koalitionspartner von Miguel Zerolo (Coalición Canaria) im Rathaus von Santa Cruz bewahrheitete sich am 13. Januar – ein Dienstag – der sprichwörtliche Unglückstag in einer Ratssitzung, in der eigentlich nur das Budget für 2009 verabschiedet werden sollte.
Während Vizebürgermeister und Stadtrat für Finanzen Ángel Llanos (Partido Popular) seinen Haushaltsplan 2009 wortreich gegen die Angriffe der Opposition verteidigte, blieb Zerolo still und zurückhaltend. Erst kurz vor Ende der Ratssitzung ließ er vor den erstaunten Ratsmitgliedern die Bombe platzen. Er stellte sich selbst die Frage „was kann man angesichts der Krise unternehmen?“ und hatte dafür gleich mehrere Antworten parat: „Den heute verabschiedeten Haushaltsplan im Laufe des Jahres je nach Bedarf modifizieren; direkte Hilfe bei Cabildo und Regionalregierung beantragen und die Verwaltungsformalitäten ändern.“ Soweit nichts Besonderes. Doch dann setzte er noch einen vierten Vorschlag hinzu, bei dem zumindest seinem nicht vorgewarnten Koalitionspartner Llanos der Mund offen blieb. „Ich weiß nicht, ob man mich in meiner eigenen Partei verstehen wird, doch es ist meine Pflicht, Entscheidungen zu treffen, denn regieren heißt entscheiden. Ich biete heute der Opposition eine Konzentrationsregierung an, wenn damit den Bürgern in Krisenzeiten geholfen werden kann. Ich biete der Opposition an, in das Regierungsteam mit einzusteigen, um die sozialpolitischen Angelegenheiten in den letzten zwei Jahren dieser Legislatur gemeinsam anzugehen. In den nächsten zwei Wochen werde ich mit den Parteisprechern über diese Möglichkeit beraten“. Nach diesen Worten des Bürgermeisters herrschte zunächst betretene Stille.
Böse Zungen behaupten, dass Zerolo die Allparteienregierung nur als Mittel nutzen will, um sich des von Anfang der Legislatur an verhassten Koalitionspartners zu entledigen. Kritiker wollen wissen, dass es Zerolo schon bei der Unterzeichnung des Regierungspaktes nach den Kommunalwahlen im Mai 2007 und trotz des netten Shakehands mit Ángel Llanos nicht wohl in seiner Haut war. In mehreren Kolumnen äußersten Polit-Kenner Zweifel an der Ehrlichkeit der Absichten des Bürgermeisters von Santa Cruz. Gründe sollen unter anderem auch das Machtstreben und die Ruhmsucht von Llanos sein, dessen „Hauptrolle“ in der Öffentlichkeit Miguel Zerolo zu viel geworden ist.
Llanos steckte den Hieb besser weg als erwartet. Er gab zwar zu, dass Zerolo ihn zuvor nicht konsultiert hatte, räumte jedoch ein, dass er als Bürgermeister frei ist, Entscheidungen zu treffen. Außerdem hätten auch mehrere CC-Stadträte nichts gewusst.
Die Reaktionen der drei Parteien in der Opposition – PSOE, Ciudadanos de Santa Cruz und Centro Canario Nacionalista waren zunächst eher ablehnend. Der PSOE-Generalsekretär in Santa Cruz, José Manuel Corrales, ließ ein klares „auf keinen Fall“ wissen. Weniger ablehnend zeigten sich die Sprecher von Ciudadanos de Santa Cruz und CCN. Letztere Oppositionspartei zeigte sich Tage danach schon offen für Verhandlungen. Genaueres wird sich vermutlich in den nächsten Tagen herauskristallisieren und zeigen, ob Zerolos Angebot fruchtet.
Miguel Zerolo selbst erklärte in einem Interview wenige Tage nach seinem „Überraschungsschlag“: „Nennt mich utopisch, doch ich werde versuchen mit 27 Stadträten in der Krise zu regieren“. Er betonte, dass sein Angebot an keinerlei Bedingungen geknüpft und lediglich aus der Besorgnis um die Zukunft der Stadt entstanden ist. „Wenn es der Wahrheit entspricht, was die Medien, das Wirtschaftsministerium, der internationale Währungsfonds, etc. verbreiten, nämlich dass diese Krise weiter gehen wird als vermutet. Wenn wir im Rathaus 40% mehr Sozial-Forderungen entgegensehen müssen, dann denke ich, dass wir nur den besten Sozialleistungsplan erstellen und uns alle in einer Konzentrationsregierung zusammenschließen können“, so der Bürgermeister. Es gehe darum, dass alle 27 Stadträte unabhängig von ihrer politischen Couleur und Ideologie gemeinsam eine Regierung bilden, um den Bürgern effiziente Lösungen für ihre Probleme zu bieten. „Jetzt ist nicht der Moment für sterile Diskussionen, die zu nichts führen“, erklärte Zerolo.
Ángel Llanos antwortete auf die Frage, ob er nicht fürchte, dass Zerolo mit seinem Angebot nur die Absicht verfolgt, ihn und die Koalition zu schwächen: „Nein. Der Bürgermeister hat uns garantiert, allein das Ziel im Auge zu haben, dass Santa Cruz so gut wie möglich der Krise standhält. Und wir glauben seinem Wort und trauen ihm. Wenn andere denken, der Bürgermeister verfolge andere Absichten, dann ist das ihre Sache.“
Dass die Krise auch den erfahrenen, langjährigen (seit 1995) Bürgermeister verunsichert ist spätestens deutlich geworden, seit er sich vor einigen Wochen mit La Lagunas Bürgermeister Fernando Clavijo zusammengeschlossen hat, um von Cabildo und Regionalregierung direkte Hilfe zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zu fordern.
Fast 19.000 Arbeitslose
Der gemeinsame Plan sieht einerseits politische Sondermaßnahmen zur Schaffung von Arbeitsplätzen und andererseits direkte finanzielle Unterstützung der städtischen Sozialämter vor. Dies entpuppte sich jedoch als Schuss in den Ofen, denn Cabildo-Vize José Manuel Bermúdez ließ wissen, dass die Inselverwaltung nicht die Absicht habe, Extrawürste zu braten. Man werde vom Cabildo aus weiterhin alle Gemeinden auf gleiche Weise unterstützen, teilte Bermúdez mit. Außerdem könne das Cabildo im Gegensatz zu den Gemeinden nicht Ansprüche beim Krisenfonds der Regierung geltend machen.
Der Zusammenschluss von Zerolo und Clavijo und das eher unübliche „Hausieren“ bei Cabildo und Regierung macht deutlich, wie ernst die momentane Lage in Teneriffas Hauptstadt ist. Im Dezember stieg die Arbeitslosigkeit in Santa Cruz de Tenerife um 0,6% auf fast 19.000 Erwerbslose an.