Die Gewerkschaften fordern, den „Baby-Boomern“ nicht die gesamte Last der Reform aufzubürden
Madrid – Die spanische Regierung hat im Ministerrat den ersten Teil der Rentenreform verabschiedet. Doch die schwierigste Aufgabe gilt es noch zu bewältigen. Es muss ein neuer Mechanismus für Generationengerechtigkeit (MEI) definiert werden, welcher das Rentensystem langfristig im Gleichgewicht hält. Über die Formel, welche den nun abgeschafften Nachhaltigkeitsfaktor – der die Rentenhöhe im Verhältnis zur statistischen Lebenserwartung anpasste – ersetzen soll, herrscht Uneinigkeit zwischen der Regierung, den Gewerkschaften und den Arbeitgeberverbänden.
Unterschiedliche Auffassungen herrschen insbesondere über den Umgang mit dem Ungleichgewicht, welches der Renteneintritt der Baby-Boomer (Jahrgänge 1958 bis 1977) im System der Alterssicherung verursacht. Die staatliche Sozialversicherung (Seguridad Social) will deren Renten individuell anpassen, ein Vorgehen, welches die Gewerkschaften als ungerecht und ineffizient ablehnen.
Im aktuell verabschiedeten ersten Teil der Rentenreform wurde der Konsumpreisindex IPC als Schlüsselelement für die Rentenanpassung etabliert und der oben genannte Nachhaltigkeitsfaktor, den die damalige PP-Regierung im Jahr 2013 einführte, abgeschafft. Doch die große Herausforderung, eine neue Rentenformel festzulegen, steht noch aus.
Bis zum 15. November 2021, so legt es der erste Beschluss zur Rentenreform fest, muss die Rentenformel (MEI) stehen. Sollte es bis dahin keine Einigung mit den Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden geben, wird die Regierung einseitig darüber entscheiden. Die neue Rentenformel soll ab 2027 zur Anwendung kommen.
Noch ist unklar, auf welche Weise die Regierung das Rentensystem durch die MEI entlasten will. Die Gewerkschaft Comisiones Obreras (CC OO) hat signalisiert, dass sie eine Erhöhung des Renteneintrittsalters bzw. eine Verringerung der Rentenbezüge, wie sie der Sozialversicherungsminister José Luis Escrivá angedeutet hat, nicht akzeptieren wird. Der Minister hatte im Juli geäußert, dass die Generation der Baby-Boomer sich entscheiden müsse zwischen einem kleinen Abschlag der Rentenhöhe und der Möglichkeit, etwas länger zu arbeiten. Dies stieß unverzüglich auf die Ablehnung der Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften, und auch der Minister selbst ruderte wenig später zurück. Doch das Verhandlungsklima bleibt angespannt.
7,7 Millionen Baby-Boomer
In Spanien leben 7,7 Millionen Baby-Boomer, die den geburtenstarken Jahrgängen angehören und heute zwischen 44 und 64 Jahre alt sind. Sie stellen eine außergewöhnliche Herausforderung für das Sozialsystem dar. Man rechnet mit einem starken Anstieg der Kosten von aktuell 12% auf 16% des BIP.
Um die Einnahmenseite zu stärken, schlagen die Gewerkschaften vor, die Höchstbemessungsgrenzen für die Rentenbeiträge heraufzusetzen und somit die Besserverdienenden stärker zur Kasse zu bitten.