Bayrische und spanische Musik beim ältesten Bierfest Spaniens
VON KARIN KÖSTER
PUERTO DE LA CRUZ Am Dienstag, 30. August, ist es endlich so weit: Das 50. Oktoberfest beginnt! Im Jubiläumsjahr gibt es einige zusätzliche Konzerte und Überraschungen für das bunt gemischte Publikum. Neben einigen spanischen Bands werden drei unterschiedliche Besetzungen aus Deutschland eine Woche lang für zünftige Stimmung sorgen: „Reinheitsgebot“, eine klassische Oktoberfestkapelle, die in diesem Jahr mit 19 Musikern auf den Hauptveranstaltungen zu hören ist. „Blechbuckel“, eine traditionelle kleine Blaskapelle mit sieben Musikern, die alle zum „Reinheitsgebot“ gehören. „Hüttenzauber“, ein Duo im Oberkrainer-Stil, wird musikalisch noch mehr Abwechslung ins Programm bringen.
Alle drei Formationen gehören zum Musikerpool von Bandleader Karsten Weber, der vor über dreißig Jahren mit den „Lustigen Egerländern“ zum ersten Mal nach Teneriffa kam, sich sofort in Land und Leute verliebte, und seit einigen Jahren einen Wohnsitz in La Orotava hat. Weber, der ursprünglich aus dem bayrischen Neu-Ulm stammt, aber seit langen im Rhein-Main Gebiet zu Hause ist, betreibt in Deutschland seine eigene Veranstaltungsagentur. Dort vermarktet er vor allem die eigenen Besetzungen, wobei sich ein großer Teil um Oktoberfeste dreht. Die Musiker spielen nicht nur in der Heimatregion und auf Teneriffa, sondern auch auf dem spanischen Festland und weltweit.
Neues Konzept
So kam es, dass der Veranstalter des Oktoberfestes auf Teneriffa, die Oficina de Información Turistica – die CIT Puerto de la Cruz – Weber seit 2016 mit der musikalischen Leitung beauftragt hat. Damals entstand der Wunsch, nach vielen Jahren der „geschlossenen“ Bierfeste mit Eintritt – anfangs im Parque San Francisco, später dann auf der Plaza de Europa – die traditionelle „Semana Bávara“ grundlegend zu modernisieren. Mit einem neuen Team seitens des Veranstalters und dem neuen Konzept des Festes wurde auch die musikalische Seite komplett neu aufgestellt, nachdem zuvor die „Lustigen Egerländer“ über vier Jahrzehnte erfolgreich beim Bierfest für Stimmung gesorgt hatten.
Für die neu eingeladenen Musiker war es dabei gar nicht so einfach, sich während der musikalischen Hauptsaison und der Ferienzeit zu Hause ein paar Tage für die Bayernwoche auf Teneriffa freizuschaufeln. Deswegen wurde die deutsche Stammbesetzung von Anfang an mit ehemaligen Mitgliedern der „Lustigen Egerländer“ aufgefüllt, die sich ihrerseits freuten, weiterhin auf der Insel dabei zu sein. Aktuell sind Musiker aus München, Stuttgart, Würzburg, Frankfurt, Düsseldorf und Berlin dabei.
Lederhose vom Flohmarkt
Für Weber hat die „Bayrische Woche“ eine ganz besondere, schicksalhafte Bedeutung. Ende der 1980er Jahre traf er in Frankfurt den Tuba-Kollegen Joachim Dopf aus Würzburg, den es beruflich dorthin verschlagen hatte. Damals steckte Weber gerade mitten in seinem BWL-Studium. Die von seinem Opa – Berufsmusiker am Ulmer Theater – geerbte Posaune hatte er bis dahin nur rein hobbymäßig gespielt.
Dopf lud ihn ein, mit den „Lustigen Egerländern“ nach Teneriffa zu kommen, und die Geschichte nahm ihren Lauf. Auf dem Frankfurter Flohmarkt erstand er für 50,- DM eine gebrauchte Lederhose und saß plötzlich mit Kollegen vom „echten“ Münchner Oktoberfest auf der Bühne. Posaunist Andi Rabl nahm sich seiner an und tauschte die Flohmarkt-Lederhose gegen eine richtige bayrische Tracht aus – die Kollegen hatten bei dem Anblick wohl Mitleid bekommen. Ein paar Besuche in München, und Weber wurde fit gemacht, die Oktoberfeste im Frankfurter Raum musikalisch zu gestalten: Das „Reinheitsgebot“ war geboren. Die neue Besetzung stieß damals in eine echte Marktlücke bei den Hessen – von dem späteren Oktoberfest-Hype war noch nichts zu spüren. „Reinheitsgebot“ entwickelte sich schnell von der anfänglichen Trio-Besetzung hin zur heutigen Oktoberfestband mit 9 Musikern.
Motiviert von dem plötzlichen Erfolg hängte Weber die Karriere als Banker und Betriebswirt an den Nagel und widmet sich seitdem nur noch der Musik. „Ohne die Bayrische Woche auf Teneriffa wäre wahrscheinlich alles ganz anders gekommen“, vermutet er. Umso schöner ist es für ihn, die alten Weggefährten nun dabei zu haben. Dopf ist seit einigen Jahren wieder als Bassist mit im Boot, und Rabl, der extra zum 50.Jubiläum eingeladen wurde, lässt es sich nicht nehmen und wird mit über 80 Jahren als Posaunist auf der Bühne stehen.
Diese Art von Gemeinschaft ist sicher für alle beteiligten Musiker ein wichtiger Punkt. Ein großer Teil von ihnen ist tatsächlich jedes Jahr dabei, aber auch neue Teilnehmer gibt es, die sich von Erzählungen der Kollegen angesprochen fühlten. Wo sonst gibt es die Möglichkeit, einen entspannten Urlaub kombiniert mit Musik in Gesellschaft von Gleichgesinnten zu verbringen?
Eine Tuba geht baden
Da enden auch die Geschichten und Anekdoten nie. Wie die von der Tuba, die beim Auspacken zu Hause in Deutschland komplett mit weißen Sprenkeln übersät war. Da musste zunächst erst einmal rekonstruiert werden, wieso das arme Instrument am letzten Tag noch einen Schwimmversuch im Salzwasser des Lago Martiànez unternommen hat. Einige Abschieds-Doradas waren dem Erinnerungsvermögen dabei nicht unbedingt zuträglich.
Oder als damals das komplette Orchester auf der vollbesetzten Plaza del Charco stand und auf den Lieferwagen wartete, der die Instrumente für das Konzert aus dem Lagerraum abholen sollte. Nach 30 Minuten stellte sich heraus, dass – warum auch immer – eine sonst nie verschlossene Zwischentür ausgerechnet an diesem Tag abgeschlossen war. In der Not wurde die Tür mit Hilfe der Polizei dann gewaltsam geöffnet, und die Lieferung an die Plaza erfolgte unter großem Applaus mit einiger Verspätung und Polizeieskorte.
Tolle Erinnerungen hat Weber auch an ganz spezielle Auftritte, wie zum Beispiel die fahrenden Konzerte im Bähnchen des Loro-Parque, oder in früheren Jahren noch auf einer Karosse vom Carnaval. Darauf war immer noch Platz für ein Fass Bier als Wegzehrung, auch wenn die mangelnde Sicht dem mittendrin tief unten sitzenden Fahrer sicher einiges abverlangte.
Auch auf dem Teide wurde musiziert, abends und nachdem die Tagesgäste den Gipfel verlassen hatten, um einen Eintrag für das höchste Konzert der Welt im Guiness-Buch der Rekorde zu bekommen.
Neu: Mini-Oktoberfeste
„Jeder, der einmal dabei war, kann etwas erzählen. Auch, oder gerade, weil sich vieles noch ohne Handyfotos, Facebook und Instagram abgespielt hat“, sagt der engagierte Bandleader. Die alten Zeiten hatten ganz sicher ihren Reiz, sind aber mit dem „neuen” Oktoberfest nicht zu vergleichen, meint er. Die aktuelle Version ist deutlich moderner und punktet mit mehr Vielfalt in jeder Hinsicht, vom Programm her, kulinarisch, aber natürlich auch musikalisch. Für Stimmung sorgen nicht nur die aus Deutschland eingeflogenen Musiker, sondern auch regionale Bands von der Insel oder dem spanischen Festland. Da gibt es schon mal spontane Sessions mit den einheimischen Kollegen, und dabei entsteht eine ganz eigene Festival-Atmosphäre.
Spannend für die deutschen Musiker ist im Jubiläumsjahr vor allem das neu eingeführte Format der „Mini-Oktoberfeste“ in den Tagen vor dem eigentlichen Festwochenende. Weber hat sich dabei ganz besonders auf die Ausgabe in seiner Wahlheimat La Orotava gefreut, wo er selbst mit der örtlichen Fanfarria aktiv ist. Doch das erste Mini-Oktoberfest in La Orotava musste wegen des Waldbrandes abgesagt werden.
Viva Tenerife
Die Stücke werden am selben Tag morgens geprobt, anders ist es in dem engen Zeitplan nicht möglich. Dass das alles so reibungslos funktioniert, dafür ist vor allem Alexandra Weber zuständig. Die Physiotherapeutin, die einen großen Teil des Jahres auf Teneriffa lebt und arbeitet, kümmert sich – wie auch in Deutschland – um die internen Abläufe, Fragen und Wehwehchen der Musiker. Und natürlich um das Notenmaterial. Das ist auf Teneriffa nämlich ganz anders als zu Hause in Deutschland. Die neuesten Charthits und Mallorca-Kracher kommen hier nicht zum Einsatz, sondern traditionelle altbayrische Blasmusik, und die bekannten Wies‘n-Klassiker wie „Fürstenfeld“, „Rock mi“ oder das „Flieger-Lied“ laden zum Mitmachen und Mitschunkeln ein. Dazu ein paar solistische Einlagen, und natürlich eine ordentliche Portion spanischer Musik mit kanarischen Liedern wie „La Farola del mar“ oder „Viva Tenerife“. Aber das wichtigste Lied ist natürlich immer wieder das „Prosit der Gemütlichkeit“. „Das kann man gar nicht oft genug spielen!“, sagt Weber lachend.
Das Programm des 50. Oktoberfestes:
Mittwoch, 30. August, 20-1 Uhr Mini-Oktoberfest in Puerto de la Cruz, Calle Las Lonjas:
Orchester Reinheitsgebot, Orchester Blechbuckel, Duo Hüttenzauber, Guachipandixie
Donnerstag, 31. August, 12-13 Uhr Konzert in Puerto de la Cruz, Lago Martiánez:
Orchester Reinheitsgebot
Freitag, 1. September, 18-1 Uhr Oktoberfest in Puerto de la Cruz, Plaza de Europa:
Reinheitsgebot, Hüttenzauber, Blechbuckel, The Vid Band, Txaranga Band Tocats
Samstag, 2. September, 11-1 Uhr Oktoberfest in Puerto de la Cruz, Plaza de Europa:
Reinheitsgebot, Hüttenzauber, Blechbuckel, The Vid Band, Txaranga Band Tocats
Sonntag, 3. September, 12-22 Uhr Oktoberfest und Dogtoberfest in Puerto de la Cruz, Plaza de Europa: Reinheitsgebot, Hüttenzauber, Blechbuckel
(Die geplanten Mini-Oktoberfeste in La Orotava am Sonntag, 27. August, und in Puerto de La Cruz am Dienstag, 29. August, wurden wegen des Waldbrandes abgesagt.)
Der Eintritt ist bei allen Veranstaltungen frei!
BU: Karsten Weber mit der 101 Brass Band Teneriffa
BU: Einige Musiker der Band „Reinheitsgebot“
BU: Das Duo „Hüttenzauber“ sorgt für Abwechslung
BU: Alexandra Weber, Elizabeth Pérez Luis (CIT Puerto de la Cruz) und Karsten Weber beim Oktoberfest 2019
BU: Die Band „Blechbuckel“
Fotos privat