Diesmal löste die Versenkung von Betonblöcken einen neuen Konflikt aus
Ende Juli ist der ruhende, jedoch nie für beendet erklärte Konflikt zwischen Spanien und Gibraltar bzw. Großbritannien erneut entbrannt. Auslöser war dieses Mal eine Anordnung des Gouverneurs Fabian Picardo, der Betonblöcke dort ins Meer versenken ließ, wo spanische Fischer ihre Netze auswerfen. Die spanische Regierung reagierte prompt und verschärfte die Kontrollen an der „Grenze“ zum Peñón, wo sich kilometerlange Autoschlangen bildeten.
Madrid/Gibraltar – Die Antwort aus England: es werden neun britische Kriegsschiffe zu einem „Routinemanöver“ in Gibraltar erwartet.
Ende Juli hatten die in der Bucht von Algeciras fischenden Spanier kaum ihren Augen getraut, als ein Schlepper damit begann, dort Betonblöcke zu versenken, wo sie normalerweise ihre Schleppnetze auswerfen. Ein herbeigerufenes Boot der Guardia Civil unterbrach das Manöver mit der Folge, dass der empörte Gouverneur Picardo bei der britischen Regierung um Unterstützung bat, schließlich sollten die nahe dem Flughafen im Wasser versenkten, mehrfach angebohrten Betonblöcke als Riff dienen und die Neuansiedelung abgewanderter Fischarten fördern. Die ansässigen Fischer fürchten jedoch um ihre Zukunft, zerstören die mit Eisenstangen versehenen Blöcke doch ihre Netze. Außerdem sieht Spanien die betroffenen Gewässer als die eigenen an, schließlich wurden sie nicht in das Abkommen von Utrecht aufgenommen, dem damaligen Rahmenvertrag zur Abtretung der Kolonie an Großbritannien. Trotz der spanischen Einwände setzte der Schlepper am 25. Juli die Arbeit fort, abgeschirmt durch sechs Schiffe Gibraltars und der Royal Navy.
Die Antwort aus Madrid ließ nicht lange auf sich warten. Nur wenige Tage nach dem Zwischenfall ordnete die Regierung eine Verstärkung der Grenzkontrollen an, sodass am Übergang zwischen La Línea und Gibraltar lange Autoschlangen mit Wartezeiten bis zu neun Stunden entstanden. Worunter neben den Touristen vor allem auch die Spanier zu leiden hatten, die täglich die Grenze passieren, um in Gibraltar ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Dementsprechend verärgert richtete sich auch die Bürgermeisterin von La Línea, Gemma Araujo, an die eigene Regierung und bat um Einstellung der übermäßigen Kontrollen. Auch der britische Außenminister William Hague beschwerte sich bei seinem spanischen Amtskollegen José Manuel García-Margallo, der Gesprächsbereitschaft bekundete, aber auch erklärte, Spanien werde Gibraltars Politik der „vollendeten Tatsachen“ nicht akzeptieren.
Kurz darauf sorgte dann auch eine Internetseite für Wirbel, auf der die Fotos von Beamten der Guardia Civil veröffentlicht wurden. Die Einwohner von La Línea wurden aufgefordert, die Grenzpolizisten zu identifizieren und vor ihren Häusern und Wohnungen gegen die übermäßigen Kontrollen zu protestieren. Erbost erklärte García-Margallo, entschieden gegen die Internetseite vorgehen zu wollen. Er eröffnete, den Tabakschmuggel, die Steuerhinterziehung und die Umweltschädigung vonseiten Gibraltars ab sofort tatkräftig zu bekämpfen. Vorgesehen ist neben der Weiterführung strenger Grenzkontrollen die eingehende Überprüfung von 6.700 Gibraltarern mit Wohnsitz in Spanien und möglichen Scheinfirmen wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung. Ebenso will er die Versorgung mit Treibstoff von sogenannten schwimmenden Tankstellen aus unterbinden. Während Lkws mit Betonblöcken tatsächlich schon am Grenzübergang abgefangen wurden, soll der spanische Luftraum für Flüge nach Gibraltar gesperrt werden. Auch eine 50-Euro-Abgabe für den Grenzübergang hat García-Margallo ins Auge gefasst – damit will der Außenminister den Fischern entstandene Schäden ausgleichen.
Anfang August nahmen die politischen Spannungen weiter zu. Die britische Regierung erklärte, ihre Souveranität mit allen Mitteln verteidigen zu wollen. In einem Telefonat bat Premier David Cameron seinen Amtskollegen Mariano Rajoy um Verringerung der Kontrollen, doch Rajoy bestand auf sein Recht – schließlich gehören weder Großbritannien noch Gibraltar dem Schengener Abkommen über kontrollfreien Grenzübertritt an. García-Margallo kündigte an, man überprüfe die rechtlichen Möglichkeiten, um die Souveränität über Gibraltar beim Weltsicherheitsrat oder bei der Generalversammlung der UNO einzufordern. Tatsächlich ist das Ansinnen des spanischen Außenministers, bei den Vereinten Nationen Unterstützung zu erbitten, nicht ganz aussichtslos – die UNO stellte Ende der sechziger Jahre die spanische Forderung an territorialer Einheit über das Interesse der Gibraltarer. Sogar eine Klage beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag wollte García-Margallo nicht ausschließen, schließlich hat Gibraltar Anfang des 19. Jahrhunderts zusätzliches Gebiet in Anspruch genommen, welches tatsächlich Spanien gehört. Die Antwort aus London ließ nicht lange auf sich warten – Downing Street gab bekannt, wegen der „unverhältnismäßigen“ Grenzkontrollen ihrerseits „unter EU-Partnern bisher beispiellose“ rechtliche Maßnahmen einzuleiten.
Dieser Tage wird im Rahmen eines „Routinemanövers“ eine neun Kriegsschiffe starke Flotte Großbritanniens in Gibraltar und Rota erwartet, der sich ein spanisches Kriegsschiff anschließt. Der Zwischenstopp, an den sich ein Übungsmanöver im Mittelmeer und die Weiterreise in den Persischen Golf anschließen, wurde dem spanischen Verteidigungsministerium zwar schon Anfang Juli angekündigt, dennoch wird gemunkelt, Großbritannien wolle Stärke zeigen.