Spanisches Gericht trifft Urteil, das zum Präzedenzfall werden könnte
Es bewegt sich etwas in Spanien. Zum ersten Mal hat ein hiesiges Gericht jetzt die Aushändigung des Wohnungsschlüssels als ausreichend angesehen, um die Hypothekenschuld mit der Bank zu begleichen.
Madrid – Diese Entscheidung steht im deutlichen Gegensatz zu der derzeitigen Vorgehensweise des spanischen Bankenwesens und der Gesetzeslage in Sachen Hypothekenrecht, die bisher den Schuldner dazu zwingt, mit der Immobilie sowie seinem gesamten Besitz für die Hypothekenschuld bei einem Kreditinstitut geradezustehen, selbst wenn es ihn seinen letzten Cent kostet.
Das Urteil, das im Dezember letzten Jahres von Navarras Provinzialgericht gefällt wurde, ist rechtskräftig und wird schon jetzt als Präzedenzfall angesehen. Die Entscheidung verbietet der Banco Bilbao Vizcaya Argentaria (BBVA), weiterhin Forderungen an einen ihrer Kunden, einen Anwohner aus Estella (Navarra) zu stellen, nachdem seine Wohnung bei einer Versteigerung 50% des Taxierungswertes erreichte und nun verkauft ist.
Die BBVA wird gegen das Urteil eine Nichtigkeitsklage beim Obersten Gerichtshof einreichen, da die Rechtsberater des Kreditinstitutes das Urteil als Verstoß gegen das Zivilprozess- und das Hypothekengesetz ansehen. Die Nichtigkeitsklage ist die Vorstufe zur Verfassungsbeschwerde.
Nach Ansichten der Bank ist die Wohnung, die für 42.895 Euro versteigert wurde, heute weit weniger wert als am Tag der Taxierung (75.900 Euro) und dass somit die Gesamtschuld, die sich auf 71.225 Euro beläuft, nicht durch den bei der Versteigerung erzielten Preis beglichen ist. Deswegen fordert sie von dem Schuldner, dessen Konto beschlagnahmt wurde, die Summe von 28.129 Euro zuzüglich 8.438 Euro Zinsen, Gerichtskosten und sonstige Ausgaben.
Das Urteil des Provinzialgerichts, das einen Beschluss aus erster Instanz ratifizierte, zerpflückt die vorgebrachten Einwände der BBVA jedoch regelrecht. Die Versteigerung wird nämlich als ausreichend angesehen, um die von der Bank geforderte Schuld zu begleichen. Des Weiteren heißt es, die Abwertung einer Immobilie sei kein gewichtiger Grund, um mit dem Vollstreckungsverfahren fortzufahren, ganz abgesehen davon, dass dies vom „moralischen Standpunkt aus abzulehnen“ sei. „Der Wertverlust liegt direkt in der Wirtschaftskrise begründet, die wiederum Ergebnis des schlechten Funktionierens des Finanzsystems ist und in einer Wirtschaftskrise mündete, wie es sie seit 1929 nicht mehr gegeben hat“, heißt es in dem Urteil wörtlich. Ganz abgesehen davon sei es ja die Bank selbst gewesen, die damals, inmitten des spanischen Immobilienbooms, die Überbewertung vorgenommen hat (sie hat die Wohnung über dem Hypothekenwert taxiert). Der Schuldner wurde zwar von den 28.129 Euro befreit, er muss allerdings die Gerichtskosten und Zinsen bezahlen.
Seit 2007 bis zum ersten Halbjahr 2010 wurden 230.000 Hypotheken-Zwangsvollstreckungen in Spanien angestrengt. 180.000 Immobilien wurden laut dem Obersten Rat der richterlichen Gewalt 2010 beschlagnahmt.
Für die Bürgerplattform der „Hypothekengeschädigten“ bedeutet dieses Urteil einen großen Hoffnungsschimmer für Tausende Personen, deren Wohnungen beschlagnahmt wurden. Das Urteil schafft zwar keine Rechtsprechung, eröffnet aber einen gerichtlichen Weg für alle, deren Wohnungen versteigert wurden und die dennoch weiterhin ihre Hypothekenschuld begleichen müssen.