Parteichef Mariano Rajoy wird von erzkonservativen Parteibaronen boykottiert
Der Machtkampf um die Führung der konservativen Volkspartei (PP) wird immer offensichtlicher und offensiver. Nachdem Anfang Mai PP-Fraktionssprecher Eduardo Zaplana seinen Rückzug aus der aktiven Politik erklärte und dabei keinen Zweifel daran ließ, dass diese Entscheidung hauptsächlich auf die innerparteilichen Modernisierungspläne des derzeitigen PP-Chefs Mariano Rajoy zurückzuführen ist, gab wenige Tage darauf auch Generalsekretär Ángel Acebes bekannt, dass er dieses Amt nur noch bis zum Parteitag am 22. Juni innehaben wird.
Madrid – Sowohl Zaplana als auch Acebes gehören zu den engsten Vertrauten von Ex-Regierungschef José María Aznar und werden zu dem erzkonservativen Lager der PP gerechnet. Dass ausgerechnet diese beiden Parteibarone Rajoy nun den Rücken kehren, ist ein schwerer Rückschlag für den einst von Aznar per Fingerzeig designierten Parteichef. Zumal sie dabei Methoden anwandten, die keinen Zweifel daran lassen, dass sie kein Vertrauen in seine Führungsposition haben und nichts von seinen eindeutigen Signalen für einen gemäßigteren Kurs der Partei in dieser Legislaturperiode halten. Ganz abgesehen davon, dass sie natürlich auch um ihre eigene Machtstellung in der Partei fürchten.
Noch schwerwiegender war jedoch der Schlag, zu dem Mitte Mai überraschenderweise ausgerechnet die Chefin der Volkspartei im Baskenland, María San Gil, ausholte. Die angesehene PP-Politikerin gilt nicht zuletzt wegen der ständigen Bedrohung, der sie durch die baskische Terroristenorganisation ETA ausgesetzt ist, als moralische Instanz, deren Aussagen und Meinung so leicht nichts entgegenzusetzen ist.
Dementsprechend aufsehenerregend war ihre Ankündigung, das ideologische Programm für den anstehenden Parteitag wegen „fundamentaler Diskrepanzen“ mit dem Inhalt nicht unterzeichnen zu wollen. Wobei sie anfangs nicht genauer darauf eingehen wollte, um welche Diskrepanzen konkret es sich handelte, sondern vielmehr für mehrere Tage aus der Öffentlichkeit verschwand. Alle Versuche Rajoys, sie zur Umkehr zu bewegen, schlugen fehl, was nur schwer verständlich ist, denn den Abschnitt, auf den sich ihr Widerstand mit großer Wahrscheinlichkeit bezieht, der Abschnitt über den Umgang mit den nationalistischen Parteien und ihren Autonomiebestrebungen, durfte sie eigenhändig verfassen. Doch diese Tatsache geriet angesichts ihres effektvollen Schlags in der Öffentlichkeit völlig in den Hintergrund.
Das erzkonservative Lager der Partei, zu dem auch Ma-drids Regionalregierungschefin Esperanza Aguirre gehört, hatte nun genau die Lage, nach der sie seit Rajoys Ankündigung, trotz seiner zweiten Wahlniederlage am 9. März weiter Parteichef bleiben zu wollen, suchten: Es war nun offenkundig, dass die Partei in zwei Lager gespalten ist, die Reformwilligen und die Erzkonservativen, und dass Rajoys Position deutlich geschwächt ist. Das scheint der geeignete Nährboden, um die Bestrebungen des Parteichefs, sich auf dem anstehenden Parteitag wieder wählen zu lassen, zunichtezumachen und einen eigenen, der erzkonservativen Ideologie zugeneigteren Kandidaten aufzustellen.
María San Gil selbst sah sich wenige Tage darauf nicht nur gezwungen, der Öffentlichkeit Rede und Antwort über ihre unverständliche Entscheidung zu stehen. Nach dem ETA-Anschlag auf eine Kaserne der Guardia Civil nahe Álava im Baskenland war auch ein Treffen mit PP-Chef Mariano Rajoy selbst nicht zu vermeiden. Sie habe ihm mitgeteilt, dass sie momentan kein Vertrauen mehr in ihn habe, so San Gil zu den Medien. Sie habe den Verdacht, dass Rajoy und seine engsten Mitarbeiter nach der zweiten Wahlniederlage der Partei nun „klammheimlich“ einen ideologischen Sinneswandel ansteuern.