Auf Defizitgrenze von 5,3% des BIP geeinigt
Im Anschluss an die Unterzeichnung des EU-Fiskalpakts Anfang März sorgte Spaniens Präsident für eine große Überraschung, als er auf einer Pressekonferenz ankündigte, in diesem Jahr strebe man ein Defizit von 5,8% des Bruttoinlandsproduktes (BIP) an.
Madrid/Brüssel – Zunächst waren einige EU-Partner empört über die Eigeninitiative und den Affront, schließlich war ein Limit von 4,4% vorgegeben worden, doch schlussendlich einigten sich alle Parteien auf 5,3%.
Am 2. März beschlossen die EU-Regierungschefs in Brüssel den Fiskalpakt, der härtere Sanktionen für diejenigen Staaten vorsieht, die das jeweilige Defizitlimit überschreiten. Auch Mariano Rajoy unterzeichnete das Abkommen, genau wissend, dass er kurz darauf dessen Sinn und Durchsetzung auf die Probe stellen würde. Auf einer anschließenden Pressekonferenz ließ Rajoy gegenüber Medienvertretern die Bombe platzen, indem er erklärte, dass Spanien in diesem Jahr ein Defizit von 5,8% anstrebe und nicht die von der EU vorgegebene Defizitgrenze von 4,4%.
Angesichts eines Defizits von 8,5% im vergangenen Jahr, der harten Kürzungen von 29 Milliarden Euro, der sich abzeichnenden Rezession von –1,7% des BIP und des zu erwartenden weiteren Anstiegs der Arbeitslosigkeit um 630.000 Personen in diesem Jahr würden sich die für einen derartigen Rückgang des Defizits erforderlichen Einsparungen von 44 Milliarden Euro katastrophal auswirken. Doch trotz aller Verhandlungen hatte Brüssel die Korrektur der Defizitgrenze bisher abgelehnt und angeführt, die Regierung habe nicht die Ursachen für das hohe Defizit des vergangenen Jahres dargelegt und der neue Haushaltsplan für das laufende Jahr sei noch nicht beschlossen worden. Rajoy fügte sich nun nicht mehr dem EU-Diktat und stellte seine eigene, schon schwer genug einzuhaltende Defizitgrenze auf. Gleichzeitig betonte er, den Stabilitätspakt nicht zu brechen. Schließlich werde das Defizit um mehr als die versprochenen 1,5% verringert und das für 2013 vorgegebene Limit von 3% aufrechterhalten.
Nicht nur, dass der spanische Präsident während des gesamten EU-Gipfels seinen europäischen Amtskollegen gegenüber nicht ein einziges Wort gesagt, den Fiskalpakt unterzeichnet und erst Pressevertretern gegenüber seine Entscheidung mitgeteilt hatte. Auch die Auflehnung an sich sorgte in Brüssel für Wirbel. Die Kommission ließ wissen, Spanien würde dadurch an Glaubwürdigkeit verlieren, was sich wiederum negativ auf den Märkten auswirken würde. Außerdem drohe nach dem eben unterzeichneten Fiskalpakt eine Strafe von 0,2% des BIP, sprich rund zwei Milliarden Euro. Während die Premierminister von Schweden und Finnland eine Flexibilisierung der Defizitgrenzen kategorisch ausschlossen, erinnerte Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy vorsichtig an die „besonders harten“ Sparmaßnahmen, die die spanische Regierung bereits beschlossen hatte. Denn abgesehen von der Lage Spaniens und dem selbstbewussten Verhalten des Präsidenten scheinen sich auch innerhalb der EU zwei Lager abzuzeichnen: die Verfechter äußerst harter Sparmaßnahmen und diejenigen, die für weniger strenge Kürzungen eintreten und Investitionen zur Ankurbelung der Wirtschaft für nötig halten.
Am 12. März einigten sich die EU-Finanzminister bei ihrem Treffen in Brüssel schließlich auf eine Defizitgrenze von 5,3%. Laut Olli Rehn, EU-Kommissar für Wirtschaft, habe man nachgegeben, weil Spanien sich anstrenge und im kommenden Jahr die vorgegebenen 3% strikt einhalten wolle.
Nur einen Tag später segnete das spanische Abgeordnetenhaus endgültig das Defizitlimit von 5,3% ab. Finanzminister Cristóbal Montoro kündigte an, die von der EU vorgegebene Korrektur bedeute weitere Einsparungen von fünf Milliarden Euro, die größtenteils vom Staat getragen würden. Montoro will die Kosten noch stärker zurückfahren und „steuerliche Instrumente“ einsetzen, jedoch auf „ausgeglichene und gerechte“ Weise. Daraufhin versicherte Wirtschaftsminister Luis de Guindos, zumindest in diesem Jahr werde die Mehrwertsteuer (IVA) nicht angehoben, schloss einen Anstieg im kommenden Jahr aber nicht ausdrücklich aus.