Dürfen höchste Volksvertreter privat dazuverdienen?
Am 18. Februar heizte Javier Rojo, Präsident des spanischen Senats, die laufende Debatte um die Rechte der Parlamentarier noch einmal so richtig an, als er im Internationalen Presseclub vorschlug, Abgeordnete und Senatoren sollten sich einzig ihren öffentlichen Funktionen und Aufgaben als Volksvertreter widmen und keinen privaten Erwerbstätigkeiten nachgehen.
Madrid – Derzeit erlaubt das Wahlgesetz den spanischen Parlamentariern, auch anderen Arbeiten nachzugehen, solange es sich dabei nicht um Tätigkeiten für die öffentliche Verwaltung handelt und eine ausdrückliche Genehmigung erteilt wurde. Tatsächlich wird jedoch noch nicht einmal die Einhaltung dieser geringen Einschränkungen überprüft.
Rojo äußerte nun: „Alles, was aus dem Rahmen der Funktion als Parlamentarier fällt, sollte hundertprozentig [mit dem Posten und der Arbeit eines Volksvertreters] unvereinbar sein.“ Während der Präsident des Senats den Auftritt bei Medien, die Veröffentlichung von Büchern und die Teilnahme bei Konferenzen zu den Parlamentarier-Funktionen zählen würde, sollten alle anderen einträglichen Aktivitäten verboten werden.
Wäre Rojos Vorschlag bereits Gesetz, müssten derzeit 71 der 350 Abgeordneten sich zwischen ihrem Sitz und der vormals genehmigten Erwerbstätigkeit entscheiden.
Unruhe bei den Volksvertretern
Bereits seit Wochen wird öffentlich über die (Vor-)Rechte der spanischen Parlamentarier diskutiert. Als Folge herrscht große Unruhe in den Kammern.
Bei José Bono, Präsident des spanischen Kongresses, ging bereits eine Vielzahl von Briefen der Parlamentarier ein, die ihre persönliche Stellung zu dem Thema kundtun wollten. Alle Absender drückten ihr Missfallen über die öffentlich geführte Debatte aus und verneinten, dass es sich bei ihren Rechten um Privilegien handele. Viele forderten eine öffentliche Stellungnahme und die Verteidigung ihres Erwerbssystems. Während der Großteil an den bisherigen Regelungen festhalten will, stimmten einige zumindest für die Einführung eines Höchstbetrages von privat erwirtschaftetem Einkommen.
Geringer Rückhalt
In Kürze wird Javier Rojo während des runden Tisches beider Kammern zusammen mit José Bono, dem Präsidenten des spanischen Kongresses, einen offiziellen Vorschlag zur Änderung der Einkommensregelungen ausformulieren.
Die beiden großen spanischen Parteien scheinen nicht viel von dem Vorstoß zu halten. Während die nationale Partido Popular (PP) das geltende System beibehalten will, geht die sozialistische Regierungspartei Partido Socialista Obrero Español (PSOE) nur einen kleinen Schritt weiter und rät neben einer rigoroseren Anwendung und Durchsetzung der bestehenden Vorschriften zur Angabepflicht von Einkommenshöhe und Arbeitszeit.
Neue Regeln
Nicht nur die private Erwerbstätigkeit der Parlamentarier gehört momentan zum alltäglichen Gesprächsstoff, auch andere „Privilegien“ stehen auf dem Prüfstand und mögliche Einschränkungen in der Debatte.
Der Vorschlag der PSOE, Familienangehörige von Abgeordneten und Senatoren zur Veröffentlichung ihrer Vermögen zu verpflichten, wird jedoch wohl abgelehnt werden.
Dagegen unterstützen die großen Parteien die Abschaffung der Rentenzuzahlung, die die Differenz zwischen gewährter und höchster Rente ausgleicht.
Auch die Reform des Abfindungssystems steht unter einem guten Stern. Die PSOE hat vorgeschlagen, dass die Parlamentarier beim Abschied aus ihrem Amt zwei Monate pro Jahr im Parlament als Entschädigung erhalten, jedoch nur, wenn sie keine Arbeitsstelle haben.
Des Weiteren sollen auch Parlamentarierinnen im Mutterschutz und Schwerkranke ihrer Funktion als gewählte Volksvertreter bald per elektronischer Wahlabgabe nachgehen können.