Studie des Entwicklungshilfeverbundes Oxfam Intermón
Der Hilfs- und Entwicklungshilfeverbund Oxfam Intermón hat eine Studie mit dem Titel „Europa für die Mehrheit, nicht für die Eliten“ (Europa para la mayoría, no para las élites) herausgebracht. Diese untersucht anhand der Daten des Statistikinstituts der Europäischen Union, Eurostat, den Grad der Ungleichheit bei der Verteilung des Wohlstandes innerhalb der einzelnen EU-Länder.
Bei diesem innereuropäischen Vergleich schneidet Spanien gar nicht gut ab. Das spanische Steuersystem, so lautet die Schlussfolgerung, ist nicht darauf ausgerichtet, die Unterschiede zwischen Arm und Reich abzufedern.
Werden nur die Einkommensunterschiede berücksichtigt, liegt Spanien immerhin noch auf Platz 15 von 28 Mitgliedsstaaten, bezieht man jedoch die Besteuerung und die staatlichen Sozial- und Pensionsleistungen mit ein, rutscht das Land auf den siebtletzten Platz ab. Unter den großen Wirtschaftsnationen des Kontinents bildet es gar das Schlusslicht, was die gerechte Verteilung des Wohlstandes angeht. Nach diesem Maßstab ist die wirtschaftliche Ungleichheit nur in Bulgarien, Lettland, Litauen, Griechenland, Portugal und Rumänien noch härter ausgeprägt. Oxfam zufolge wird den großen Einkommensunterschieden in Ländern wie Schweden, Dänemark und Deutschland durch Umverteilungsmechanismen entgegengewirkt, die breiter angelegt sind als in Spanien. Als Beispiel wird Schweden angeführt, dessen System aus Steuern und Sozialleistungen es gelingt, die Unterschiede zu 53% auszugleichen, in Spanien werden nur 32% erreicht.
Die Studie identifiziert die osteuropäischen Staaten Slowenien, Slowakei und Tschechien als die egalitärsten der Union. Sie traten der EU im Jahr 2004 bei, ebenso wie zwei der Staaten mit der größten Ungleichheit, Lettland und Litauen, die zusammen mit Bulgarien die größten wirtschaftlichen Unterschiede zwischen ihren Einwohnern aufweisen.
Zwei Daten verdeutlichen die Spannweite der Schere, welche bezüglich der wirtschaftlichen Situation der EU-Bürger auseinanderklafft: 123 Millionen Menschen leben an der Armutsgrenze, während 342 ein Vermögen von mehr als einer Milliarde Dollar ihr Eigen nennen. Acht Millionen Bürger sind allein während der Krise seit 2007 in die Armut abgerutscht, drei Millionen allein in Spanien, wo es insgesamt 13,4 Millionen Menschen (29% der Bevölkerung) gibt, die von wirtschaftlicher und in der Folge auch sozialer Ausgrenzung betroffen sind.
Oxfam macht das Armutsrisiko an drei Faktoren fest: 1. einem Einkommen von unter 60% des Landesdurchschnitts, 2. einer geringen Beschäftigungsintensität von weniger als 20% der möglichen Arbeitszeit und 3. dem Fehlen materieller Möglichkeiten in einem Ausmaß, welches durch mindestens drei der folgenden Mängel charakterisiert ist: Finanziell nicht in der Lage zu sein, wenigstens eine Woche im Jahr in Urlaub zu fahren, wenigstens jeden zweiten Tag Fleisch oder Fisch zu essen, die Wohnung auf einer angenehmen Temperatur zu halten, die Miete oder Hypothekenrate pünktlich zu zahlen, sich eine Waschmaschine, einen Fernseher oder ein Auto zu leisten.
Wenn gar vier dieser Indikatoren zutreffen, geht man von einer schweren materiellen Mangelsituation aus. In dieser Situation befinden sich in Spanien zurzeit mehr als drei Millionen Menschen, was für Oxfam die mangelnde Effizienz des spanischen Steuersystems erweist, den Ungleichheiten entgegenzuwirken.
Die Studie betont, dass Armut und Ungleichheit in Europa ein alarmierendes Ausmaß erreicht haben. Allein im Zeitraum von 2009 bis 2013 ist die Zahl der unter schwerwiegenden materiellen Einschränkungen lebenden EU-Bürger um 7,5 auf 50 Millionen angewachsen.
Die Organisation empfiehlt, in das spanische Steuersystem eine stärkere Umverteilung des Wohlstandes einzubauen, Steuervorteile für große Unternehmen zu vermeiden und die Sparpolitik zu beenden. Die Kandidaten der Parlamentswahlen Ende 2015 fordert Oxfam Intermón auf, die Bekämpfung der sozialen Ungleichheit zum Kern ihrer politischen Botschaft zu machen.