Die Kundgebung gilt als Test für die Regionalwahlen
Am 27. September finden in Katalonien Regionalwahlen statt. Und nach dem Willen des nationalistischen Regierungspräsidenten Artur Mas sollen diese Wahlen gleichzeitig eine Willensbekundung für das Bestreben der Katalanen nach Unabhängigkeit sein.
Obwohl die Spanische Verfassung die Abspaltung von Regionen und Gebieten nicht zulässt, treibt die nationalistische Regierung Kataloniens gemeinsam mit einigen anderen nationalistischen politischen Gruppen rechter und linker Orientierung diese Pläne immer weiter. Auch negative Äußerungen von nationalen und internationalen Institutionen, wie Unternehmerverbände, Banken oder gar Drohungen aus der Europäischen Union können die Verfechter der Unabhängigkeit von Spanien nicht erschüttern. Selbst die Warnungen von Angela Merkel oder des britischen Premiers David Cameron ließen sie unbeeindruckt.
Der alljährliche Regionalfeiertag Diada, der vor allem in der Hauptstadt Barcelona Hunderttausende auf die Straße lockt, um an dem großen Marsch teilzunehmen, fand heuer zwei Wochen vor den Wahlen statt, und die Zahl der Teilnehmer war überwältigend.
Die katalanische Unabhängigkeitsbewegung hat zum vierten Mal in Folge ihre große Kapazität zur Mobilisierung der Massen bewiesen. Über die zentrale Avenida von Barcelona zog am 11. September ein mehr als fünf Kilometer langer Zug von über einer Million Personen. Wie üblich lagen die Angaben über die Teilnehmerzahlen je nachdem, von wem sie kamen, weit auseinander. Nach Angabe der Organisatoren lag sie bei über zwei Millionen, die Stadtpolizei sprach von 1,4 Millionen und die Zentralregierung gab die Zahl mit 520.000 Personen an.
Auf jeden Fall dürfte die Diada der Kandidatur von Artur Mas einen energischen Auftrieb gegeben haben, wenn auch nicht alle, die an den Kundgebungen teilnahmen, am 27. September für Artur Mas bzw. eine der nationalistischen Parteien stimmen werden, welche seine Unabhängigkeitsideen unterstützen.
Mas selbst hatte an dem Marsch nicht teilgenommen, aber die Kandidatur, an der er beteiligt ist – ein Zusammenschluss verschiedener politischer Gruppierungen, welche unter dem Namen Junts pel Si – gemeinsam für das Ja – für die Unabhängigkeit kämpfen. Er nutzte die Präsenz der internationalen Medien dazu, einen Appell an die Regierung von Mariano Rajoy zu richten: „Ich möchte darauf hinweisen, was Sie gesehen haben, die Bilder sprechen für sich. Lösen Sie sich von dieser politischen Kurzsichtigkeit, dem imperialen Stolz, dieser Bedrohung, als wären wir Delinquenten. Wir sind ganz normale, ruhige und besonnene Menschen.“
Wahlkampf auf dem Höhepunkt
Währenddessen hat der Wahlkampf, in den sich auch die Führer der großen Parteien eingeschaltet haben, seinen Höhepunkt erreicht. Insbesondere Präsident Mariano Rajoy lässt keine Gelegenheit aus, um gegen die Unabhängigkeitsbestrebungen von Mas und seinen Anhängern Stellung zu beziehen und dessen Behauptungen über erzielte Erfolge zu entkräften. Als Antwort auf die Teilnahme von Hunderttausenden an der Diada und der langen Liste von angeblichen Erfolgen der Regierung von Artur Mas, erklärte Rajoy auf der ersten von fünf geplanten großen Wahlveranstaltungen: „Wozu hat all das gedient, was wir erlebt haben? Drei Autonomiewahlen in fünf Jahren sowie die Kommunal-, die Europa- und die Parlamentswahlen? Es hat zur Spaltung der katalanischen Gesellschaft, in den Familien, im Freundeskreis und unter Arbeitskollegen geführt. Es wurde politische und wirtschaftliche Unsicherheit erzeugt, was eine große Verantwortungslosigkeit beweist. Es hat aber auch der wirtschaftlichen Erholung der Region die Kraft entzogen, denn es wurden die unpopulären Entscheidungen vermieden.“
Obwohl interne Kreise der Partido Popular der Ansicht sind, dass derartige, ironisierende Äußerungen Rajoys noch mehr Menschen in die Reihen der Unabhängigkeitsverfechter treiben könnten, fordert er die zukünftige katalanische Regierung immer wieder auf, zur Normalität zurückzukehren.
Korruptionsvorwürfe zur unrechten Zeit
Ausgerechnet kurz vor Beginn des Wahlkampfes kamen Informationen an die Öffentlichkeit, die eine illegale Finanzierung der CiU, der Partei von Mas, durch Provisionszahlungen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vermuten lassen. Eine genaue Analyse der Spenden, welche an die der CiU gehörenden Stiftung CatDem gegangen sind, beweist das in mindestens zwei Fällen. Die Stiftung erhielt von zwei Unternehmen Spenden, nachdem diese Aufträge von der CiU-regierten Verwaltung erhalten hatten. So hatte beispielsweise in Sant Fruitós del Bages bei Barcelona ein Unternehmenskonsortium, das gegründet wurde, um ein Sportzentrum zu konstruieren, genau vier Monate, nachdem es den Bauauftrag erhalten hatte, drei Prozent der Vertragssumme an die Stiftung CatDem überwiesen.