Der Gerichtshof lädt Journalisten ein, um der Kritik entgegenzuwirken
Der Oberste Spanische Gerichtshof und der Generalrat der richterlichen Gewalt CGPJ sahen sich in den letzten Tagen zu einer „Offensive“ gezwungen um der harten und stetig wachsenden Kritik entgegenzuwirken, die aus dem Inland und Ausland auf sie herabprasselt.
Madrid – Es geht um den Prozess, der dem Richter Baltasar Garzón bevorsteht, nachdem Luciano Varela, Magistrat des Obersten Gerichtshofes, beschlossen hat, Garzón auf die Anklagebank zu setzen.
Varela hat den CGPJ aufgefordert, wegen dieser Kritiken sofort eine Protestnote zu veröffentlichen. Carlos Dívar, Präsident dieser Institution hat schließlich ein Kommuniqué herausgegeben, in dem die Besorgnis und Betroffenheit wegen der Attacken gegen den Gerichtshof zum Ausdruck gebracht wird.
Die Protestwelle gegen den Prozess, der Garzón bevorsteht, hat erhebliche Unruhe in die Sektion zwei des Obersten Spanischen Gerichtshofes gebracht, der drei verschiedene Klagen gegen den Richter zu verhandeln hat, eine davon wegen der Untersuchungen von Verbrechen des Franco-Regimes. Als Konsequenz und zum ersten Mal in der Geschichte des Gerichtshofes wurden ausländische Korrespondenten zu einer informativen Gesprächsrunde eingeladen, um die Version des Gerichtes darzulegen.
Eine historische Schande
Mehr als tausend Personen versammelten sich im Amphitheater der medizinischen Fakultät der Madrider Universität Complutense, um gegen die historische Schande eines Prozesses gegen den Richter Baltasar Garzón zu protestieren. Die Veranstaltung war von den beiden großen Gewerkschaftsverbänden angeregt worden und entwickelte sich zu einem kollektiven Protest. Die Teilnehmer schrien, weinten und applaudierten ohne Ende.
Sämtliche Redner – die Gewerkschaftsführer, der Rektor der Universität, der ehemalige Antikorruptions-Staatsanwalt Carlos Jiménez Villarejo sowie zwei Studenten der juristischen Fakultät – forderten die Mitglieder des Obersten Gerichtshofes auf, die Klagen gegen den Richter Garzón niederzuschlagen. Am Ende ihrer Ausführungen räumten jedoch alle ein, dass sie wenig optimistisch sind. Alle die an dieser Kundgebung teilnahmen, von den Politikern bis hin zu den Familien der Opfer der Franco-Diktatur zeigten sich davon überzeugt, dass Baltasar Garzón gefangen ist zwischen den Erben des Franco-Regimes und den Korrupten des Gürtel-Skandals. „Sie versuchen, ihn fertigzumachen wegen der Untersuchungen die er eingeleitet hat – gegen die Verbrechen der Ära Franco und den größten Korruptionsskandal den das demokratische Spanien erlebt hat, denn das ist der wahre Hintergrund“, war der allgemeine Tenor.
„Man kann über seinen Stil unterschiedlicher Meinung sein, aber Garzón hat den Mut besessen, die ETA-Terroristen zu verfolgen, die Handlanger der lateinamerikanischen Diktatoren, die Menschen ermordet und gequält haben, die Delinquenten mit den weißen Handschuhen und Personen die den großen Parteien nahestehen, ohne Ansehen ihrer politischen Ideologie“, erklärte Candido Méndez, der Generalsekretär der Gewerkschaft UGT. „Die Verbrechen des Franco-Regimes bleiben ungestraft und dasselbe möchten sie mit dem Fall Gürtel machen“.
Das Gesetz der Geschichtlichen Erinnerung ist nach der Meinung von Ignacio Fernández Toxo, Generalsekretär der Gewerkschaft Comisiones Obreras, ein schüchterner Schritt, der jedoch auf keinen Fall die Verpflichtung gegenüber den Opfern regelt. Und eine Amnestie für den Völkermord könne und dürfe es nicht geben.
Unter dem frenetischen Beifall der Anwesenden erklärte der Ex-Antikorruptions-Staatsanwalt Jiménez Villarejo: „Die Mitglieder des Obersten Gerichtshofes haben der spanischen Demokratie einen brutalen Schlag verpasst und sich zu Instrumenten des Ausdrucks des spanischen Faschismus gemacht“.
Marathon der historischen Erinnerung
Kultregisseur Pedro Almodóvar, die Schauspieler Juan Diego Botto, José Sacristán, Pepe Viyuela und Pilar Bardem sowie die Schriftsteller Luis García Montero und Almudena Grandes haben die Patenschaft der Verbände für die historische Erinnerung übernommen und sich mit ihnen in die Aula der Universität eingeschlossen, um für die Interessen von Garzón zu kämpfen.
Die Schauspielerin Pilar Bardem versicherte, eine Art negativer Nostalgie zu empfinden. „In dieser Straße haben wir uns gegen Franco getroffen. Ich hätte nie geglaubt, dass ich mit 71 Jahren hier eingeschlossen bin, wo sie mich einsperrten, als ich achtzehn war. Ich glaube, das was jetzt geschieht (der Prozess gegen Garzón), ist das Schlimmste, was in Zeiten der Demokratie seit dem „23-F“ (Überfall auf den spanischen Kongress im Februar 1981) passierte.“ Seit dem 13. April bis zum Beginn des Prozesses am 22. April finden Unterschriftensammlungen zugunsten des Richters statt. Es werden Dokumentarfilme aus der Franco-Zeit und mit Schilderungen der Opfer gezeigt.
Klagen von Opfern in Buenos Aires
Zwei Familien von Opfern und Verschollenen aus der Zeit Francos, unterstützt von einem Dutzend Menschrechtsorganisationen, haben in der Hauptstadt Argentiniens die Justiz aufgefordert, Daten über ehemalige Franco-Minister, Führer der rechtsradikalen Organisation Falange (eine der Klägerinnen gegen den Richter Garzón) sowie über spanische Unternehmen zu sammeln, die sich seinerzeit durch die Zwangsarbeit von Häftlingen bereichert haben.