Hunderttausende forderten Chancengleichheit im Bildungswesen

Etatkürzungen und frühe Weichenstellung treiben Eltern, Kinder und Lehrkräfte auf die Straße

Am 9. Mai zogen Hunderttausende Schüler, Studenten, Eltern, Lehrer und Professoren durch die spanischen Städte, um gegen die enormen Einschnitte und das neue Bildungsgesetz zu protestieren.

Madrid – Die aufgebrachte Bevölkerung fürchtet um die Qualität des öffentlichen Bildungswesens und um die Chancengleichheit. Die hohe Beteiligung am Streik und an den Protestmärschen sorgte dafür, dass am folgenden Tag das neue Bildungsgesetz nicht, wie ursprünglich geplant, dem Ministerrat zur Debatte vorgelegt wurde.

Tatsächlich wurden im Bildungswesen seit 2010 rund 6,7 Milliarden Euro eingespart. Laut Schätzungen der Gewerkschaft CC.OO. wurden 60.000 Lehrkräfte entlassen, es wurden Hilfsprogramme für schwache Schüler gekürzt, die Bedingungen für Stipendien verschärft und die Studiengebühren bedeutend angehoben.

Der von Bildungsminister José Ignacio Wert ausgearbeitete Entwurf eines neuen Gesetzes zur qualitativen Verbesserung des Bildungswesens (Ley Orgánica de Mejora de la Calidad Educativa, LOMCE) sieht nun auch noch vor, bereits abgeschaffte Abschlussprüfungen wieder einzuführen und die Weichenstellung für den weiterführenden Bildungsweg vorzuverlegen. Viele Eltern empfinden diesen Vorschlag als verdeckten Versuch, weitere Kosten einzusparen, wobei den Schülern verfrüht Möglichkeiten verbaut würden. Darüber hinaus sorge die Streichung von Hilfsprogrammen insbesondere bei Kindern aus finanziell schwachen Familien zur Chancenungleichheit.

Da Erziehungsminister Wert auch den Ethikunterricht und die finanzielle Unterstützung reiner Jungen- bzw. Mädchenschulen wieder einführen sowie den spanischsprachigen Unterricht in Katalonien stärken will, sorgte sein Gesetz für zusätzliche Polemik.

Dem Streikaufruf der Initiative für das öffentliche Schulwesen folgten am 9. Mai Hunderttausende. Den Veranstaltern zufolge streikten landesweit 72% der Lehrer (laut Regierungsangaben waren es nur 20%) und 90% der Schüler und auch die  Eltern schlossen sich an. Hunderttausende zogen durch die spanischen Großstädte.

Infolge der Massenproteste sah der Bildungsminister am folgenden Tag davon ab, seinen Gesetzentwurf dem Ministerrrat vorzulegen. Wert will den Entwurf nun überarbeiten.