Das Sozialreferat der Deutschen Botschaft Madrid informiert – Teil 3
Botschaft und Konsulate bemühen sich, für die Deutschen in Spanien da zu sein. Gerade im Sozialbereich gibt es viele Fragen, die Verunsicherung schaffen. In Einzelfällen können wir meist nur auf die zuständigen Stellen verweisen. Es gibt aber auch viele grundsätzliche Fragen, die nach meinen Erfahrungen bei zahlreichen Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen an vielen Orten des spanischen Festlandes und auf den Inseln immer wieder auftauchen. Oft kursieren Gerüchte, die nicht richtig sind, aber das Verhalten der Deutschen nachteilig beeinflussen.
Als Sozialreferent der Deutschen Botschaft gebe ich daher in loser Folge Antworten auf typische Fragen aus dem Renten-, Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsrecht, die sich stellen, wenn man als Deutscher in Spanien lebt. Dabei muss es zwangsläufig auch um Fragen der ordentlichen Anmeldung bei der Gemeinde und dem Ausländerregister gehen.
Besonders wichtig sind mir die Probleme der Altersresidenten, die rechtzeitig überlegen müssen, was geschehen soll, wenn sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr alleine zurechtkommen.
Kein Finanzierungsproblem – kein Reformbedarf?
Die spanische Krankenversicherung wird aus Steuermitteln finanziert. Damit ist das Gesundheitswesen das wichtigste Umverteilungsinstrument im Land, denn Steuern werden nach der Leistungsfähigkeit gezahlt. Die für die Umsetzung der allgemeinen staatlichen Gesundheitsgesetze zuständigen 17 autonomen Regionen („Länder“) zahlen die Kosten aus ihrem Haushalt sowie aus Zuweisungen des Zentralstaates und der staatlichen Sozialversicherung. Fragen der Umsetzung der Gesundheitsgesetze werden in einem „Interterritorialen Gesundheitsrat“ (CIS) besprochen. Den Löwenanteil der Kosten tragen mit über 90% die Regionen.
In der unterschiedlichen Leistungsfähigkeit der Regionen, aber auch in unterschiedlichem politischem Handlungswillen, liegen die Hauptursachen für starke regionale Schwankungen in der Qualität der Versorgung und den Leistungen des Gesundheitsdienstes. Aber auch das Leistungsspektrum kann sich von Region zu Region ganz erheblich unterscheiden. Nach einer Untersuchung des Dachverbandes der Vereinigungen für öffentliche Gesundheit (FADSP) vom September 2007 sind die Kanaren, Murcia, Valencia und Madrid Schlusslichter, an der Spitze liegen Navarra, Kalabrien, Asturien und das Baskenland. In der Bewertung sind die besten Regionen doppelt so gut wie die schlechtesten.
Auch in Spanien steigen die Kosten im Gesundheitswesen steil an. Noch stehen dem die Überschüsse in den Sozialkassen von 57 Mrd. Euro und hohe Steuereinnahmen der Regionen aus den Zeiten des Wirtschaftsbooms gegenüber. Wirtschaft und Beschäftigung sind mit der Finanzkrise ins Stocken geraten, und die Regionen werden künftig Schwierigkeiten haben, die Kosten für eine moderne Gesundheitsversorgung aufzubringen. Eine Gesundheitsreform, die bisher in Spanien kein Thema ist, könnte schon bald auf der Tagesordnung stehen und vor allem nach der Effizienz des vergleichsweise teuren Systems fragen.
Geringere Ansprüche an den Staat
Allerdings stellen die Spanier an den Staat keine so hohen Ansprüche, wie wir das aus Deutschland kennen. Solidarität in der Familie ist das soziale Netz, etwa vorhandene staatliche Leistungen werden dankbar angenommen. Soziale Themen beherrschen daher weniger die Debatte in einem Land, dessen Menschen erst angefangen haben, die Segnungen ihrer jungen Industrienation zu genießen. Längerfristig und ungeachtet der hoffentlich nur kurzfristigen wirtschaftlichen Krise wird es schon bald auch darauf ankommen, die Qualität der Versorgung und damit die Gesundheitsausgaben ganz nordeuropäischem Standard anzupassen.
Zukunftsproblem Alterung
Die Demografie (Geburtenrückgang und Alterung) wird Spanien ab 2020 besonders hart treffen: das Land ist am drittstärksten von allen Industrienationen von der Alterung der Gesellschaft betroffen. Bis 2050 werden die Kosten des Gesundheitswesens um 2,3% des BIP steigen. Aus historischen Gründen (Geburtenboom nach Franco-Diktatur) haben die Spanier aber etwa zehn Jahre mehr Zeit zur Verfügung, um sich darauf einzustellen. Unter anderem wird bereits durch ein fortschrittliches neues Pflegegesetz, das 2007 in Kraft getreten ist, gegengesteuert. Bisher setzen die Spanier noch auf Zuwanderung als Mittel gegen die demografische Entwicklung. Das wird sich vermutlich schon bald ändern, weil mit der Finanzkrise die Arbeit knapp geworden ist.
Ein Problem wird auch die Alterung der Ärzteschaft bereiten: zwischen 2016 und 2026 werden rd. 54.000 – ein gutes Viertel – in den Ruhestand gehen, ohne dass genügend Nachwuchs in Sicht ist. Die Ausbildung dauert etwa 10 Jahre und ein enger numerus clausus an den 29 Fakultäten für Medizin (8,5 von 10 Punkten) schränkt die Berufswahl ein. Wegen der schlechten Arbeitsbedingungen streben überdies rd. 25% der Absolventen in das Ausland.
Im Urlaub ausprobieren
Deutsche Touristen sollten den Gesundheitsdienst ruhig einmal ausprobieren – sie werden wahrscheinlich positiv überrascht sein (Versicherungskarte mit EHIC-Aufdruck nicht vergessen!). Außerdem sparen sie die Abrechnungsformalitäten und evtl. böse Überraschungen bei dem Versuch, von der deutschen Kasse alle Kosten eines deutschen Arztes erstattet zu erhalten. Allerdings ist die sehr preiswerte private Auslands-Reise-Krankenversicherung doch eine Empfehlung, schon um im Ernstfall den Transport nach Hause zu sichern.
Altersresidenten
Altersresidenten sei geraten, sich möglichst bald nach ihrer Ankunft in Spanien zu integrieren und vor allem die Sprache zu erlernen. Denn nicht alle können ihren ursprünglich vielleicht gefassten Vorsatz, bei Krankheit oder auch Pflegebedürftigkeit nach Deutschland zurückzukehren, später auch in die Tat umsetzen. Gerade sie sollten die immer besseren spanischen Gesundheitsangebote, für die ihre deutsche Krankenkasse ohnedies eine pauschale Abgeltung zahlen muss, auch in Anspruch zu nehmen. Die Möglichkeit, sich im Ernstfall auch in Deutschland behandeln zu lassen, wird ihnen dadurch ja nicht genommen.