Die Staatsanwaltschaften stehen durch die Strafrechtsreform unter enormem Zeitdruck
Die spanischen Staatsanwaltschaften sind derzeit in einen unwürdigen und aussichtslosen Kampf gegen die Zeit verwickelt.
Nachdem im vergangenen Jahr mit der Verabschiedung des Gesetzes „Ley de Enjuiciamiento Criminal“ eine Strafrechtsreform durchgeführt wurde, bei der unter anderem die Dauer der gerichtlichen Untersuchungsverfahren rückwirkend auf sechs bzw. 18 Monate in komplexen Fällen festgelegt wurde, läuft nun, am 6. Juni, eine Frist ab, innerhalb derer die Staatsanwaltschaften die laufenden Verfahren überprüfen und gegebenenfalls eine Verlängerung beantragen müssen. Alle Verfahren, die nicht verlängert wurden oder aus Zeitgründen nicht geprüft werden konnten, werden dann nach dem neuen Gesetz automatisch eingestellt. Zahlreiche zum Teil schwere Vergehen bleiben dann ungeahndet, darunter auch etliche Korruptionsfälle, welche die Politik und Parteienlandschaft betreffen.
Nachdem die Strafrechtsreform am 6. Dezember 2015 in Kraft getreten war, wurde berechnet, dass bis zum 6. Juni 539.543 Untersuchungsverfahren durch die Staatsanwaltschaften geprüft werden müssten. Daraufhin wurde eine 80-köpfige Verstärkungseinheit aus Anwälten gebildet, welche die Generalstaatsanwaltschaft bei dieser Mammutaufgabe unterstützt. Trotz dieses Aufgebots waren bis Ende April erst 103.188, gut 19%, der Fälle abgearbeitet. Innerhalb nur eines Monats müssten nun die restlichen 436.355 Verfahren gesichtet und bearbeitet werden, ein unmögliches Unterfangen.
Wie der Leiter der staatsanwaltlichen Unterstützungseinheit, José Luis Bueren, erklärte, wurden 70% der bisher gesichteten Verfahren als „einfach“ eingestuft. 16% der so eingestuften Fälle mussten ohnehin eingestellt werden, weil der Täter nicht bekannt oder die Beweislage ungenügend war. Alle anderen stehen kurz vor dem Abschluss oder können bis zum 6. Juni abgeschlossen werden. Für die restlichen, als komplex eingestuften, 30% kann die jeweilige Staatsanwaltschaft Verlängerung beantragen.
Wie mit den Verfahren umgegangen wird, welche nicht rechtzeitig geprüft werden können, ist noch nicht endgültig geklärt. Im Bericht der Unterstützungseinheit wird eine weitere Verlängerung der Frist um einen Monat gefordert.