Die friedliche Demonstration war nicht autorisiert
Die kanarischen Aktivisten, die in Marokko bei einer friedlichen Demonstration die Freiheit für die Westsahara forderten und dabei von marokkanischen Polizisten in Zivil zum Teil brutal angegriffen, verhaftet und festgehalten wurden, kamen zwei Tage nach dem Zwischenfall auf Gran Canaria und Teneriffa an.
Mit Applaus wurden sie von Sahara-Sympathisanten und Angehörigen im Hafen von Las Palmas und später am Nordflughafen von Teneriffa wie Helden empfangen.
Die vierzehn Aktivisten der Westsahara Freiheitsbewegung waren am letzten Wochenende im August von den Kanaren nach El Aaiún gereist, um dort an einer friedlichen, allerdings nicht autorisierten Demonstration für die Freiheit der Westsahara teilzunehmen. „Es war eine friedliche Kundgebung, bei der wir nur T-Shirts und ein Transparent sowie eine Flagge der Westsahara trugen“, berichtete die Aktivistin Sara Mesa nach ihrer Rückkehr dem Reporter des „Diario de Avisos“. „Ohne auch nur ein Wort mit uns zu wechseln, begannen die Beamten mit Fäusten und Füßen auf uns einzuprügeln. Das waren gezielte Schläge, denn die wussten genau, wo sie uns treffen wollten“, erzählte Carmen Roger, die besonders schlimm zugerichtet wurde. Elf Aktivisten wurden verhaftet und an die acht Stunden festgehalten. Obwohl sie eine schriftliche Anzeige sowohl bei der marokkanischen Polizei als auch bei der Mission der Vereinten Nationen für das Referendum in Westsahara (MINURSO) vorlegten, wollte nach Auskunft der Demonstranten weder die Behörde noch die UNO-Friedensmission diese registrieren. Einer von ihnen, der der Bewegung „Saharacciones“ angehört, versicherte: „Wir werden wieder nach El Aaiún reisen, um Gerechtigkeit und Freiheit zu fordern, denn die Unterdrückung, die uns widerfahren ist, war im Vergleich zu der ständigen Demütigung des saharauischen Volkes minimal“.
Zurück in der Heimat haben sich die geschundenen Freiheitskämpfer ärztlich untersuchen lassen, um mit medizinischen Berichten Anzeige erstatten zu können.
Der Vorfall hat das spanisch-marokkanische Verhältnis getrübt. Die spanische Regierung hat von Marokko eine Erklärung gefordert. Ministerpräsident Zapatero gab von Shanghai, wo er sich zur Feier des spanischen Tages auf der Expo befand, dem Außenminister Moratinos grünes Licht, von der Regierung in Rabat eine Erklärung zu verlangen. Zapatero setzte in dieser Angelegenheit dennoch auf eine „besonnene und intelligente Diplomatie“. „Wir müssen das gute Verhältnis zu Marokko erhalten, denn wir teilen viele Interessen und grundlegende Themen“, erklärte der Präsident.
Die Parteivorsitzende der Coalición Canaria, Claudina Morales, verurteilte die Verhaftung der kanarischen Bürger und forderte eine Erklärung von Marokko. „Es war ein Verstoß gegen die Meinungsfreiheit“, sagte sie. Der Vizepräsident der kanarischen Regierung, José Manuel Soria, sprach von einem „empörenden Vorfall“ und merkte an, dass die Aktivisten zwar selbst wussten, dass es sich um eine illegale Demonstration handelte, dies aber kein Anlass für eine Verhaftung und den brutalen Übergriff gewesen sei.
Die saharauische Menschenrechtsaktivistin Aminatu Haidar erklärte zu dem Vorfall, dass dies der Beweis dafür sei, dass die marokkanische Regierung Spanien und seine Bürger nicht respektiere. Sie dankte den vierzehn kanarischen Aktivisten und drückte ihnen ihre „tiefe Anteilnahme“ aus. Die Frau, die im vergangenen Jahr vor allem durch ihren 32-tägigen Hungerstreik auf Lanzarote von sich reden machte, sagte in einem telefonischen Interview der Nachrichtenagentur EFE: „Diese Art der Solidarität hat uns Saharauis sehr bewegt, denn es ist eine unglaubliche und edle Geste“.
Marokko vertritt unterdessen eine völlig andere Version der Tatsachen. Regierungssprecher Jalid Naciri wertete den Vorfall als eine „Provokation“ der spanischen Aktivisten. „Wenn sie von uns eine Erklärung fordern, werden sie sie kriegen, denn wir sind ein verantwortungsvolles Land“, sagte Naciri, formulierte anschließend aber eine Frage an die spanischen pro-saharauischen NGO’s: „Was wäre Ihre Meinung, wenn marokkanische Organisationen nach Spanien reisen würden, um für die Unabhängigkeit des Baskenlandes zu demonstrieren?“ Jalid Naciri erklärte den Zwischenfall vorerst so, dass die Spanier als Touristen nach Marokko eingereist seien, um sich dann öffentlich als pro-saharauische Aktivisten zu outen, was die Bevölkerung verständlicherweise in Rage versetzt habe. Er versicherte, dass die Polizeibeamten die Aktivisten nicht geschlagen, sondern vielmehr geschützt hätten. Diese Version wurde dann schließlich auch von der spanischen Regierung akzeptiert, die über den Staatssekretär im Außenministerium Juan Pablo de la Iglesia wissen ließ, dass es keine Beweise für die Version der Aktivisten gebe und alles darauf hindeute, dass der Angriff von einer Gruppe kam, die nicht mit der Demonstration einverstanden war, und Spanien den Konflikt mit Marokko somit als beendet ansehe. Die Aktivisten bezeichneten die Haltung der Regierung als „beschämend“.