Ex-Untersuchungsrichter Baltasar Garzón:
Baltasar Garzón, der Richter, der die Untersuchungen im Fall Gürtel eingeleitet hat und die Korruption im Schoß der Partido Popular aufdeckte, hält sich kaum noch in Spanien auf. Allerdings ist er noch immer Richter, „Das hat man mir noch nicht abgenommen“, erklärt er ironisch in einem Interview mit dem Rundfunksender Cadena Ser.
Madrid – Er hält sich häufig in Den Haag auf, wo er als Berater des Internationalen Gerichtshofs tätig ist. In London verteidigt er Julian Assange, den Begründer von Wikileaks, und in Kolumbien berät er die Regierung bei der Organisierung des Justizsystems.
„Wenn ich nach Spanien komme, sehe ich viele traurige Menschen.“ Bei dem Interview nahm er zu dem Skandal über die geheime Buchführung des ehemaligen Schatzmeisters der Partido Popular, Luis Bárcenas, Stellung.
Es fehlt der politische Wille für eine Untersuchung
Der ehemalige Richter am Obersten Gerichtshof bedauert, dass die Regierungspartei PP versucht, von Ereignissen abzulenken, die sehr schwerwiegend sind. Statt alles zu bestreiten und diejenigen zu verfolgen, die glauben, es könnte die Wahrheit sein, müsste eine absolute Bereitschaft zur Zusammenarbeit und zur Klärung des Skandals vorherrschen.
„Es wird behauptet, ich hätte bei der Veröffentlichung der sogenannten Papiere von Bárcenas die Hände im Spiel. Ich wünschte, dass ich seinerzeit wirklich Gelegenheit gehabt hätte, die Angelegenheit vor Gericht zu bringen.“
Garzón war die zentrale Figur der umfangreichen Untersuchungen des Korruptionsnetzes Gürtel, bis er wegen Rechtsbeugung verurteilt und damit seine äußerst erfolgreiche juristische Laufbahn abrupt beendet wurde. „Es gab ganz klare Indizien für eine gerichtliche Untersuchung, denn es waren Personen verwickelt, die noch aktiv in der Politik tätig waren. Es war klar, dass das System und der Mechanismus dazu führen musste, was jetzt untersucht wird“, formulierte er vorsichtig, aber eindeutig. „Schon damals war klar zu erkennen, dass es sich um einen Ring handelte, der nicht nur auf nationaler Basis, sondern auch international tätig war und der seine deliktiven Handlungen fortsetzen würde.
Der Richter, der zu elf Jahren Berufsverbot verurteilt wurde, versicherte, dass er während der Monate, als er die Untersuchungen im Fall Gürtel leitete, immer wieder auf Unterlagen gestoßen sei, welche den Ex-Schatzmeister der PP, Luis Bárcenas, mit dem Fall, den er zu untersuchen hatte, in Verbindung brachten. Schon damals habe es Dokumente gegeben, denen zu entnehmen war, dass es noch andere Empfänger des Geldes geben musste. Während seiner Untersuchungen habe es 22 Beweise gegeben, die auf Bárcenas hingewiesen hätten.
Den ehemaligen Abgeordneten der PP, Jorge Trias, bezeichnete er als sehr mutig. Der hat jetzt vor der Staatsanwaltschaft bestätigt, dass die mutmaßlichen Aufzeichnungen Bárcenas, welche die Zeitung El País veröffentlicht hat, die gleichen seien, die Bárcenas ihm vor längerer Zeit gezeigt habe. „Er hat seine Pflicht erfüllt und das ausgesagt, was er wusste“, lobte Garzón.
Im Rahmen seiner Untersuchungen im Fall Gürtel hatte er Telefongespräche der Beschuldigten mit ihren Anwälten aufzeichnen lassen (das Wochenblatt berichtete wiederholt). Dafür war er vom Obersten Gerichtshof mit Berufsverbot bestraft worden. Jetzt hat er diese Aktion erneut verteidigt. „Die Aufzeichnungen waren ein Instrument, um zu beweisen, dass die strafbaren Handlungen weitergingen. Möglicherweise wird nie wieder eine Strafe gegen einen Richter in Spanien ausgesprochen wie meine“, fügte er erbittert hinzu.