Aus dem Wrack des Fischereischiffs tritt in 2.400 Metern Tiefe Treibstoff aus
Als am 12. April die ersten Medien über ein Feuer auf einem russischen Fischtrawler im Hafen von Las Palmas de Gran Canaria berichteten, ahnte noch niemand, welch dramatische Ausmaße dieser Vorfall kurze Zeit später annehmen würde. Weil der Brand nicht unter Kontrolle gebracht werden konnte, entschieden die Verantwortlichen aus Furcht vor einer Explosion, das Schiff, das 1.400 Tonnen Öl in seinen Tanks hatte, aufs offene Meer zu schleppen. 15 Seemeilen südlich von Maspalomas sank die Oleg Naydenov schließlich auf den Meeresgrund. Infolgedessen breitet sich südlich der Inseln ein ständig größer werdender Ölteppich aus.
Dank günstiger Strömungen entfernt sich der Ölteppich zwar von der Küste, doch der Umweltschaden ist erheblich. Eine Umweltkatastrophe wie seinerzeit im Falle der „Prestige“ kann ausgeschlossen werden, doch die Meeresfauna wird großen Schaden nehmen.
Vom Hafen aufs offene Meer
Der russische Fischtrawler „Oleg Naydenov“, der von Greenpeace bezichtigt wird, illegalen Fischfang zu betreiben, lag seit Anfang März zur Reparatur und Vorbereitung auf den Fischfang in afrikanischen Gewässern im Hafen von La Luz. Für den Abend des 11. April war die Abfahrt nach Afrika vorgesehen, doch am Nachmittag brach im Maschinenraum, vermutlich aufgrund eines defekten Dampfkessels, ein Feuer aus. Mehr als zwölf Stunden kämpften die Feuerwehr von der Mole Reina Sofía und die Seenotrettung sowie ein privater Schlepper vom Wasser aus gegen die Flammen an, die sich schnell ausgebreitet hatten. Doch die hohen Temperaturen im Inneren des Schiffes hinderten die Feuerwehr, zum Brandherd vorzudringen. Die 72-köpfige Besatzung war zuvor in Sicherheit gebracht worden.
Nach Mitternacht hatte der Trawler wegen des angesammelten Löschwassers bereits leichte Schlagseite. Die zuständige staatliche Hafenmeisterei befürchtete, die anhaltend hohen Temperaturen an Bord könnten zu einer Explosion der dort gelagerten Sauerstoff- und Acetylen-Flaschen sowie zur Entzündung der Gase in den Kühlanlagen und den Treibstofftanks führen. Außer der Bedrohung durch eine Explosion drohte auch durch Auslaufen der Treibstofftanks eine „ernsthafte Gefahr“ für die Einwohner, die Hafenanlagen, die Hauptstadtküste und eine nahe gelegene Wasserentsalzungsanlage. Deshalb wurde kurzerhand beschlossen, das brennende Schiff aus dem Hafen zu schleppen.
Auf dem offenen Meer sollte an einer Stelle mit abfließenden Meeresströmungen abgewartet werden, bis der Brand von alleine erlöschen würde, um anschliessend Lecks und Öffnungen zu versiegeln und den Trawler zur Reparatur wieder in den Hafen zurückzubringen.
Am frühen Morgen des 12. April nahm die „Punta Salinas“ den Trawler ins Schlepptau und zog das Schiff, in dem durch die Unterbrechung der Feuerbekämpfung die Flammen nun ungehindert wüteten, Richtung Südosten. An einer Stelle 20 Seemeilen südlich von Punta Jandía (Fuerteventura) trieb der Trawler, noch am Tau des Schleppers, bis die Flammen erlöschten. Dann schlug die „Punta Salina“, mit der ausgebrannten und insbesondere am Heck schwer beschädigten Schiffsruine am Tau, einen Südwestkurs ein. An einem Punkt, 15 Seemeilen südlich von Maspalomas, mit einer Meerestiefe von 2.400 m, sollen die Verantwortlichen noch in Erwägung gezogen haben, die Reste der „Oleg Naydenov“ zurück in den Hafen zu schleppen. Doch am späten Abend bekam der Trawler so schwere Schlagseite, dass er kurz vor Mitternacht sank.
Bereits in den Morgenstunden des folgenden Tages entdeckte das Flugzeug der Seenotrettung die ersten Ölschlieren über der Untergangsstelle. Umgehend wurde der „Nationale Plan zur Bekämpfung einer Ölverschmutzung der Meere“ aktiviert und das für diese Aufgabe spezialisierte Schiff „Miguel de Cervantes“ auf den Weg geschickt, um die „Punta Salinas“ und zwei weitere Schiffe sowie zwei Flugzeuge bei der Überwachung und Bekämpfung eines Ölteppiches zu unterstützen.
Tatsächlich strömte in den folgenden Tagen eine bedeutende Menge der in den Tanks der „Oleg Naydenov“ gelagerten 1.400 Tonnen Schiffstreibstoff (aus Diesel und Schweröl gemischter Treibstoff IFO) aus. An der Meeresoberfläche entstand ein Ölfleck, der bei Redaktionsschluss bereits 70 km lang war. Die südlich gerichtete Meeresströmung sorgte jedoch dafür, dass sich der Ölfleck immer weiter von der Küste Gran Canarias entfernte – zuletzt lagen bereits 130 km zwischen dem Ölteppich und der Küste. Trotzdem wurden an der Unglücksstelle bereits mehrere ölverschmutzte Tiere wie eine artgeschützte Caretta-caretta-Schildkröte oder ein Schwarzschnabel-Sturmtaucher geborgen, gesäubert und tierärztlich versorgt. Noch ist nicht absehbar, wieviele weitere Tiere durch das Öl zu Schaden kommen werden.
Bei Redaktionsschluss war unklar, ob ein in Norwegen angeforderter Unterwasserroboter bereits zum gesunkenen Trawler vorstoßen konnte, um dessen Zustand zu untersuchen und Aufschluss über die sich noch in den Tanks befindliche Treibstoffmenge zu geben.
Die vier Schiffe vor Ort mussten bislang von einer aktiven Bekämpfung durch Ölsperrren oder Abschöpfen aufgrund hohen Wellengangs absehen.
Allgemeine Kritik
Kurz nachdem der Trawler gesunken war, wurde erhebliche Kritik geäußert. Experten und Umweltschutzorganisationen wie Ben Magec – Ecologistas en Acción monierten einstimmig die Entscheidung, den brennenden Trawler aufs offene Meer zu schleppen. Allgemein üblich sei in solchen Fällen, das Schiff in einen Hafen oder eine Bucht zu schleppen, wo eine etwaige Ölverschmutzung viel leichter zu bekämpfen und unter Kontrolle zu bringen sei. Infolge dessen würde auch das Risiko einer Umweltverschmutzung deutlich geringer.
Ein Argument, welches die Staatsanwaltschaft von Las Palmas de Gran Canaria aufgriffen hat, um ein Ermittlungsverfahren wegen eines möglichen Umweltdeliktes einzuleiten.
Sicheres Opfer: die Meeresbewohner
Jesús Cisneros, Professor für Meeresverschmutzung an der Universität von Las Palmas und einer der führenden Experten auf seinem Gebiet, äußerte sich im Interview mit der Tageszeitung Diario de Avisos. Cisneros erklärte, zwar führten die Meeresströmungen an der betreffenden Stelle gen Süden, doch sei nicht ausgeschlossen, dass bei Änderung der Windrichtung der Ölfleck Richtung Teneriffa ziehen könnte.
Der Meeresbiologe erklärte, das auf der Meeresoberfläche schwimmende Öl „verhindere den Austausch zwischen Luft und Wasser und den Eintritt des Sonnenlichtes, unabdingbar für die Fotosynthese, sowie verändere den PH-Wert des Wassers“.
Greenpeace und Ecologistas en Acción befürchten verheerende Folgen für Schwämme, Korallen, Seegraswiesen, Schildkröten und Meeressäugetiere. Weiterhin zeigen die Umweltaktivisten auf, dass neben dem Öl auch auf Schiffen übliche andere Schweröle, elektronische Teile und giftige Farben das Meer und seine Bewohner zusätzlich belasten werden.
Die Fischereigenossenschaft von Las Palmas beklagte bereits die ersten Auswirkungen auf die lokalen Sardinen- und Makrelen-Bestände.
Mehr Einsatz gefordert
Zwar nimmt die Zentralregierung die Gefahr ernst, schickt Spezialschiffe, hat einen Unterwasserroboter geordert und lässt ölverschmutzte Tiere einsammeln und in die Auffangstation nach Gran Canaria bringen. Doch reichen diese Maßnahmen nach Ansicht der Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace nicht aus. Sie fordern eine aktive Mobilmachung und die umgehende Erstellung eines konkreten Planes zur möglichst restlosen Entfernung des Treibstoffs aus dem Schiffswrack.
Der letzte Meldung bei Redaktionsschluss zufolge ordnete die Zentralregierung „zur Erleichterung der Arbeit der Einsatzkräfte“ ein Flugverbot über der betroffenen Zone an.