Barroso weist der Banco de España Schuld an der Krise zu

Der spanische Finanzsektor reagierte empört auf die Äußerungen des EU-Kommissionschefs

EU-Kommissionspräsident José Manuel Durão Barroso hat der Spanischen Nationalbank und ihrem ehemaligen Präsidenten Miguel Fernández Ordóñez wegen mangelhafter Kontrolle der Sparkassen und fehlender Maßnahmen gegen die wachsende Immobilienblase die Schuld an der Krise gegeben, was in den Reihen des spanischen Finanzsektors für Aufruhr gesorgt hat.

Santander/Madrid – Auf einer von der Vereinigung der Wirtschaftsjournalisten (APIE) und der Bankgesellschaft BBVA organisierten Konferenz an der Universität Menéndez Pelayo in Santander erklärte Barroso, die Europäische Union habe sich damals bei der Banco de España, die ja für die Überwachung des Finanzsektors zuständig sei, nach den Sparkassen erkundigt und – obwohl längst eine Kreditblase entstanden war – die Antwort „alles bestens“ erhalten. Barroso, der im September aus dem Amt scheidet, warf der Nationalbank eine überaus mangelhafte und nachlässige Überwachung des Finanzsektors vor, die „das explosive Anwachsen der privaten Verschuldung, die Probleme auf dem Wohnungsmarkt und diese gesamte Situation“ erst ermöglicht hätten.

Dabei überging Barroso vollkommen, dass die Einführung des Euro und des vielgepriesenen Einheitsmarktes den Finanzinstituten die Tür zu finanziellen Mitteln weit aufgestoßen hatten. Der Kommissionschef erklärte, die Probleme seien nicht mit dem Euro sondern mit der Pleite von Lehman Brothers in den USA gekommen. Allerdings gestand auch er ein, dass die europäische Antwort auf die Krise nicht perfekt, eine Strukturanpassung jedoch unumgänglich gewesen sei.

Weiterhin übte Barroso scharfe Kritik an der politischen Führung des ehemaligen sozialistischen Präsidenten José Luis Rodríguez Zapatero, der den katastrophalen Anstieg der öffentlichen Schulden und die damit einhergehende Verschlechterung der Marktbewertung zugelassen habe.

Zur aktuellen Lage des Landes erklärte Barroso, diese sei weiterhin schlecht und die Besserung würde auf sich warten lassen. Die makro-ökonomischen Daten auf der einen Seite und das Empfinden der Bevölkerung sowie die Schaffung von Arbeitsplätzen auf der anderen Seite würden weit auseinanderklaffen.

Botín: „Alle haben Fehler begangen.“

Emilio Botín, Präsident der Santander-Bank, reagierte als einer der Ersten auf die Worte Barrosos und lehnte gegenüber der Nachrichtenagentur EFE eine Verantwortlichkeit der Nationalbank ab. Botín zeigte auf, dass die Banco de España vielmehr versucht habe, den Ereignissen zuvorzukommen; die Bank habe innovative Maßnahmen ergriffen wie die Anordnung an die Finanzinstitute, sich in guten Zeiten mit finanziellen Polstern auszustatten.

Noch auf der Konferenz wollte sich Ángel Ron, Präsident der Banco Popular, zwar nicht direkt zu den Vorwürfen Barrosos gegenüber der Spanischen Nationalbank, jedoch zu der damaligen Position der Banken äußern. Ron erklärte, die Krise sei nicht allein im Schoß der Sparkassen entstanden, doch hätten diese entscheidend zu dem fatalen Verlauf beigetragen. Die Banken hätten die Situation angezeigt, seien jedoch zum Stillschweigen verurteilt worden, schließlich sei damals die Kreditvergabe – und mit ihr das Geschäft – explodiert. Der Präsident der Banco-Popular ließ allerdings durchblicken, dass die Folgen der Kreditblase nicht dermaßen extrem ausgefallen wären, wenn die Sparkassen derselben strengen Regulierung unterzogen worden wären wie die Banken.

Einen Tag später formierte sich der Bankensektor und nahm explizit Stellung. Auch wenn die wichtigsten Bankiers des Landes sich nicht mit allen Entscheidungen der Nationalbank einverstanden zeigen, so sehen sie es doch als notwendig an, die Banco de España im Großen und Ganzen zu verteidigen. Emilio Botín, Bankia-Präsident José Ignacio Goirigolzarri und BBVA-Vorstandsmitglied José Manuel González-Páramo erklärten übereinstimmend, die Analyse Barrosos sei zu oberflächlich ausgefallen und er habe absichtlich die Verantwortlichkeit der europäischen Institutionen außen vor gelassen.

Botín gestand ein, dass die Banco de España, aber alle anderen Verantwortlichen ebenso und auch er selbst Fehler begangen hätten. Anders als heute sei es damals sehr schwierig gewesen, die Lage richtig einzuschätzen. Der Chef der Banco de Santander zeigte jedoch auf, dass die Inspektoren der Nationalbank bereits 2005 den Sektor auf die bestehenden Risiken hingewiesen und Leiter der Finanzinstitute des „Wegschauens“ bezichtigt hatte.

Goirigolzarri behauptete gar, die „lasche Politik der europäischen Autoritäten“, die vier Jahre gebraucht hätten, in der Bankenunion die Lösung zu erkennen, hätten die Krise ermöglicht.

González-Páramo unterschied zwischen der Leitung der Spanischen Nationalbank und deren Experten, die aus gutem Grunde heutzutage 30 Prozent des Überwachungsstabes der Europäischen Zentralbank ausmachten. Deren Kapazitäten seien „sehr hoch“, doch vor der Krise hätte es der Banco de España an legaler Kompetenz gefehlt, um wirklich einschreiten und etwas ändern zu können. Das ehemalige Mitglied des EZB-Rates sprach die Europäische Zentralbank jedoch von einer laxen Währungspolitik frei und beschuldigte vielmehr die Regierung, die versäumt habe, mit Hilfe einer richtigen Steuerpolitik der fatalen Entwicklung Einhalt zu gebieten.

Auch Luis Linde, heutiger Präsident der Banco de España, äußerte sich zu den Behauptungen Barrosos: „Die Spanische Nationalbank ist sich der Tatsache bewusst, dass die damaligen Probleme durch die eigene mangelhafte Überwachung entstanden sind.“

Mehr Transparenz

Wirtschaftsminister Luis de Guindos vermied es, in der Angelegenheit Position zu beziehen, weder hinsichtlich der Banco de España noch der Regierung Zapatero. In Bezug auf den Finanzsektor erklärte de Guindos, heute sei die Lage anders, es gäbe mehr Kredit und mehr Transparenz, was wichtiger sei als Kapital. Seine Regierung jedenfalls sei dazu da, die Probleme zu lösen.

Im selben Zuge kündigte er die Ausarbeitung eines neuen Banken-Codex an, der die Liquidation insolventer, aber zukunftsfähiger Unternehmen verhindern solle. Auch wolle man die Unabhängigkeit und Position der Unternehmensprüfer stärken.