Der Oberste Gerichtshof setzt die Parot-Doktrin außer Kraft
Die Entscheidung des Spanischen Obersten Gerichtshofes zur Parot-Doktrin hat die Hoffnungen der Organisationen der Hinterbliebenen von Terroropfern zerstört, die massenhafte Entlassung von verurteilten ETA-Terroristen doch noch abwenden zu können.
Madrid – Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR), das die Anwendung der nachträglich beschlossenen Rechtsauslegung auf bereits verurteilte Straftäter für unzulässig erklärt und die Freilassung der Terroristin Inés del Río, die für 24 Morde mitverantwortlich ist, angeordnet hatte, beantragten umgehend zahlreiche Strafgefangene ihre Entlassung (das Wochenblatt berichtete).
Nun hat der Oberste Gerichtshof mit zwölf gegen vier Richterstimmen klargestellt, dass alle Häftlinge, die aufgrund der Parot-Doktrin noch in Haft sind, freigelassen werden müssen. Die Spanische Regierung spricht von insgesamt 93 Gefängnisinsassen, die hiervon betroffen sind. Ein gutes Dutzend davon wurde schon auf freien Fuß gesetzt.
Die vier Gegenstimmen kamen aus dem konservativen Flügel des Richtergremiums.
Der Gerichtshof hat mit diesem Urteil eine Rechtsauslegung annulliert, die er seinerzeit selbst beschlossen hatte. Um dennoch dieses klare Abstimmungsergebnis zu erzielen, wurde in den Beschluss eine Klausel eingefügt, die in der Praxis kaum Auswirkungen hat, es jedoch den Richtern ermöglicht, das Gesicht zu wahren: Für alle, die nach 2006 (als Parot beschlossen wurde) für Taten, die vor 1995 (unter Gültigkeit des alten Strafrechts) begangen wurden, verurteilt sind oder werden, wird die Doktrin angewandt, das heißt, erarbeitete Haftverkürzungen werden nicht von der Maximalhaftzeit von 30 Jahren abgezogen, sondern von der tatsächlich verhängten Haftdauer.