Madrids clevere Politstrategen glaubten, einen Ausweg gefunden zu haben
Die Ankündigung der Europäischen Zentralbank (EZB), Staatsanleihen krisengeschüttelter Länder unter der Bedingung zu kaufen, dass diese vorher einen Antrag auf Aufnahme unter den EU-Rettungsschirm stellen und im Gegenzug harte Konditionen hinnehmen müssen (das Wochenblatt berichtete), wurde von der spanischen Regierung mit gemischten Gefühlen aufgenommen.
Madrid – In den folgenden Tagen wich Präsident Mariano Rajoy stets der Frage aus, wann Spanien diese – zweite – Rettung beantragen wolle, obwohl im In- und Ausland mit Spannung eine Entscheidung erwartet wurde. Fast zwei Wochen nach der Ankündigung der EZB wandte sich am 17. September schließlich Joaquín Almunia, Kommissar für Wettbewerb und Vizepräsident der Europäischen Kommission, an Rajoy und warnte diesen, die Entscheidung nicht zu lange hinauszuzögern, denn die dadurch geschaffene Unsicherheit belaste die Märkte. Tatsächlich hatte die nach der EZB-Ankündigung auf unter 400 Punkte gefallene Risikoprämie bereits wieder an diesem Tag die 430-Punkte-Marke erreicht.
Fieberhafte Suche nach einer Hintertür
Kurz darauf kam ans Licht, warum die Regierung eine derart zögerliche Haltung eingenommen hatte: Seit dem 6. September hatten die höchsten Politstrategen des Landes fieberhaft alle möglichen Szenarien durchgespielt und nach einer Alternative für Mariano Rajoy gesucht, denn während die EU-Partner auf eine Rettung drängten, würden die Spanier diese und vor allem die damit verbundenen Bedingungen, wie beispielsweise die direkte Kontrolle durch die EU, mit großem Protest quittieren. Rajoy, dessen Gunst beim Volk bereits stark angeschlagen ist, könnte sich nur noch schwer davon erholen.
Die goldene Mitte
Tatsächlich stießen die Regierungsberater auf einen Mittelweg, um die teure Rettung zu vermeiden: Die Rekapitalisierung der Banken könnte doch der Staat auch zu seinen Gunsten nutzen, natürlich nur mit Einverständnis der EU. Immerhin wurden schon bis zu 100 Milliarden Euro bewilligt. Wie es den Anschein hat, sollen die Kreditinstitute nur 60 Milliarden Euro benötigen und könnten sogar einige Milliarden aus eigener Kraft aufbringen und letztendlich mit nur 40 Milliarden Euro auskommen. Dann wären 60 Milliarden Euro verfügbar.
EZB-Präsident Mario Draghi hatte den entscheidenden Kauf von Staatsanleihen an die Bedingungen geknüpft, vorher eine Aufnahme unter den EU-Rettungsschirm zu beantragen und einen präventiven Kredit bewilligt zu bekommen. Nun, die Bankenrettung wurde beantragt, und der Kredit in Höhe von 100 Milliarden Euro steht bereit. Der spanische Staat müsste nur offiziell darum bitten, den Rest des Kredits an sich selbst auszuzahlen. An die Zusage würden neue Bedingungen geknüpft, doch könnten sich diese auf die Aufstellung eines strikten Kalenders zur Umsetzung der von der EU gewünschten Kürzungen und Reformen beschränken, ohne unter die Aufsicht der Union zu fallen. Eine direkte Kontrolle und Eingriffsmöglichkeit würde verhindert, trotzdem stünde dem rettenden Kauf von Staatsanleihen seitens der EZB nichts mehr im Wege.
Mit 60 Milliarden Euro könnte Spanien selbst Titel kaufen bzw. diese absichern und die Risikoprämie senken; die Neuverschuldung würde wieder bezahlbar, und das Land könnte sich selbst finanzieren.
Leider nur eine schöne Idee
Am 22. September erklärte Wirtschaftsminister Luis de Guindos dann jedoch offiziell, der Kredit für die Bankenrettung dürfe „allein für die Rekapitalisierung der Finanzinstitute“ genutzt werden, auch wenn diese statt 100 Milliarden nur 60 Milliarden Euro benötigen würden.