Wandern und entdecken

» Fischgründe «

Fangfrisch. Lecker. Am Ende einer Wanderung in einer kleinen Hafenbar einen Fisch zu genießen, ist ein kleiner Luxus, den wir uns ab und zu mal gönnen. In den Bergen Teneriffas ist Fisch selten auf der Speisekarte, sehen wir mal von den Forellen ab, die man bei La Caldera serviert bekommt. Die stammen aus der nahegelegenen Fischzucht von Aguamansa. Karpfen sind nicht typisch kanarisch. Es gibt sie aber auf Teneriffa.

San José de los Llanos ist ein guter Ausgangspunkt für Rundwanderungen zum Volcán Negro, dessen Lava Teile Garachicos verschüttete, und zum Chinyero, dessen Lava kurz vor Santiago del Teide haltmachte. Man kann von dort auch auf dem PR-51 entlang sanfter Hügel wandern, die nichts anderes sind als die stark verwitterten Kegel längst erloschener Vulkane. Ihnen zu Füßen erstrecken sich Los Llanos, die fruchtbaren Ebenen, auf denen bis vor wenigen Jahrzehnten Getreide angebaut und geerntet wurde. Hier lag eine der Kornkammern der Insel; denn diese 4,5 – 6,5 Millionen Jahre alten Böden sind gut verwittert und bester Ackerboden. Er war so gut, dass man ihn sogar abgebaggert und in andere Inselgegenden, vor allem in den Süden, verkauft hat. Dort wurden damit neue Äcker geschaffen, auf denen heute Bananen oder Tomaten gedeihen. Die Spuren des Abbaus sind an den Flanken der Hänge unübersehbar. Der Wanderweg wendet sich nach Westen, überquert den Puerto de Erjos und die Cumbre de Bólico, folgt der Cumbre de Baracán und erreicht nach rund 25 km die Punta de Teno. Wer dort allerdings keine Rückfahrt organisiert hat, hat noch einen ziemlich langen Weiterweg bis Buenavista del Norte vor sich.

Bei Puerto de Erjos, dem in etwa 1100 m Höhe gelegenen Übergang von El Tanque nach Santiago del Teide, haben in grauer Vorzeit die umliegenden Vulkane eine flache Schüssel entstehen lassen. Hier verwitterten die Böden nicht nur wie auf der anderen Seite beim 5 km entfernten San José, hier sammelten sich auch die von den Kegeln herabgeschwemmten Sedimente in dicken Schichten, die seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts abgebaut wurden. Erst in den Achtzigerjahren wurde das einträgliche Geschäft beendet, und die Natur begann, die verwüsteten Flächen neu zu besiedeln. Die ehemaligen Abbauterrassen entlang der Hügel begrünten sich nach und nach, während sich in zehn unterschiedlich großen und tiefen Gruben Wasser sammelte. Dank des tonhaltigen Untergrundes versickerte es nicht. Die meisten Tümpel trocknen über den Sommer aus und bilden sich mit der Regenzeit neu. Drei sind allerdings tief genug, um während des ganzen Jahres Wasser zu haben. Sie scheinen Kontakt zum Grundwasser zu haben und bekommen auch von den umliegenden Hügeln etwas Nachschub. In ihnen wurden unter anderem Karpfen ausgesetzt. An ihren Ufern entstand eine bunte Vegetationsmischung aus typischen Feuchtpflanzen, aber auch zahlreichen Kräutern und Sträuchern, die nicht so aufs Wasser angewiesen sind. Ihr Mosaik lässt erahnen, wo der Boden feuchter oder trockener ist. Das aus dem einstigen Tagebau entstandene Feuchtgebiet beherbergt zahlreiche auffällige Insektenarten: bunte Schmetterlinge, blaue und rote Libellen. Und ganz natürlich haben es verschiedenste Vogelarten für sich entdeckt. Manche leben ganzjährig dort, andere sind nur Wintergäste, die im Frühjahr wieder nach Norden ziehen. Seiner neuen Bedeutung gemäß steht das Gebiet unter Naturschutz.

Man muss nicht den ganzen Weg bis zur Punta de Teno gehen; die Charcos de Erjos sind auch für sich ein lohnendes Wanderziel. Vor allem hat man dann, so wie wir, auch die Zeit, auf dem, was von den ehemaligen Transportpisten noch erhalten ist, das Gebiet abseits des markierten Wanderweges zu erkunden. Dass diese Pisten häufig im Nirgendwo enden, tut dem Entdeckerdrang wenig Abbruch. Einzig die Brombeerranken sind ab und zu hinderlich.

Die Büsche des Europäischen Stechgins­ters bilden streckenweise natürliche Hecken entlang der Landseite des Weges. Ihre gelben Blüten setzen sich gut vor dem Grün ihrer Zweige und dem Blau des Himmels ab. Die langen, auffälligen Stacheln erklären seinen Namen. Er wurde auf der Insel eingeführt. Die Kanarische Weide, ein aus zahlreichen Barrancos durch das vom Menschen eingeschleppte Pfahlrohr (Caña) verdrängter Endemit, hat hier eine neue Bleibe gefunden. Und die meisten Blumenarten finde ich in der normalerweise so zuverlässigen „Kanarenflora“ von Prof. Schönfelder nicht. Wir hören viele Singvögel. Im Dickicht sind sie gut versteckt und nicht zu entdecken. Von Weitem höre ich schon die Teichhühner, die vor allem einen der Dauertümpel bevölkern. Auch ein paar Moschus-Enten, die in Südamerika beheimatet sind und vermutlich einem Bauern entkamen, suchen ihr Futter. Regungslos steht in einiger Entfernung ein Graureiher auf einem Stein. Die zahlreichen Kotstreifen auf den Steinen verraten, dass er nicht zum ersten Mal hier ist. Der Karpfenfang scheint sich für ihn zu lohnen.

Über uns kreist laut und schrill rufend ein Bussardpärchen. Plötzlich nähert sich rasch von Westen her ein weiterer großer Vogel. Auf den ersten Eindruck ein weiterer Bussard, aber seine Flügelhaltung ist anders, etwas gewinkelt. Er ist auch schneller. Ein Blick durchs Fernglas macht alles klar. Ein Fischadler ist vom Teno herübergekommen, wo sich sein Horst befindet. Auch er sucht vermutlich nach einem Beutefisch. Leider können wir nicht beobachten, wie er sich ins Wasser stürzt, um einen Karpfen zu ergreifen. Aber er gibt nicht auf, solange wir das Gelände erkunden. Immer wieder sehen wir ihn in der Luft.

Zu unserem Erstaunen erblicken wir am Ufer eines größeren Tümpels einen Angler, der ausdauernd seinen Köder im leicht trüben Wasser badet und es wohl ebenfalls auf einen Karpfen abgesehen hat. Angeln sollte eigentlich in einem Naturschutzgebiet untersagt sein. Am Ende kümmert sich die Polizei um ihn, und die Fische bleiben den Vögeln erhalten.

Michael von Levetzow

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