Das Leben ist wie ein Karussell


Gedanken für mich ­– Augenblicke für Gott

In den Sommermonaten häufen sich die Feste, die mit einem Jahrmarkt, mit Schaustellern und Buden einhergehen. Und jedes Mal, wenn ich über einen solchen „Rummel“ gehe, dann kann ich da für mich ein wenig meditieren und Impulse finden, die mich für mein Leben lernen lassen.

Deshalb möchte ich Sie heute mal daran Anteil nehmen lassen, und wer weiß, vielleicht finden ja auch Sie Berührungspunkte, die Sie für Ihr Leben lernen lassen.

Einmal zeigen mir solche Jahrmärkte, dass das Leben auch seine lockere Seite haben kann und haben darf. Zwar müssen die Fahr- und Schaugeschäfte ständig neue und immer verwegenere Attraktionen anbieten, um das Interesse an solchen Volksfesten wachzuhalten. Aber das Karussell und sein schon bildhafter Charakter für das Leben sind geblieben. Es ist eben wie im richtigen Leben: Alles dreht sich im Kreis, mal schnell, mal langsam, mal reißt es uns nach oben, mal fühlen wir uns tief im Keller.

Solange es dieses Rundherum, dieses Auf und Ab gibt, so lange ist unser Leben noch im Schwung; so lange leben wir noch. Oder um es mit dem Bild der alten Schiffschaukel auszudrücken: Wir können nicht immer oben sein; kein Leben kann an seinem Höhepunkt festgehalten werden. Genauso wenig – und das möchte ich all den Menschen ins Stammbuch schreiben, die sich gerade „down“ fühlen – aber wird das Leben auch immer unten bleiben.

Im Karussell sind alle gleich. Es dreht sich für die Mächtigen und die Reichen dieser Welt nicht schneller als für die kleinen Leute. Doch bei einem solchen Gang über das Volksfest lässt sich noch viel mehr für das Leben lernen. Denn ein Vergnügungspark kann ja nicht nur aus einem einzigen Karussell, einem Riesenrad oder einer Schiffschaukel bestehen. Es ist vielmehr die bunte Mischung, die es ausmacht. Und genauso ist es auch in unserem Leben und mit unserem Glauben. Keiner wird auf einem Volksfest von Spaltung reden, nur weil es zwei oder drei Karussells gibt. Im Gegenteil: die Vielzahl und Buntheit ist es doch, die ein solches Fest ausmacht. Also glaube doch bitte keiner, dass sein Karussell das einzig wahre und richtige sei. Jedes der Fahrgeschäfte zeigt seine eigene Logik, folgt einem Grundmuster und einem Zeitplan. Die Schausteller, so unterschiedlich ihr Angebot auch ist und so sehr sie auch in Konkurrenz zueinander stehen, halten aber trotzdem untereinander einen guten und engen Kontakt. Sie helfen und ergänzen sich, wo sie können. Denn sonst entsteht keine Harmonie – genau von der aber lebt doch ein solches Fest – oder nicht?

Auf dem Volksfest ist es möglich, das Karussell zu wechseln und einem anderen Vergnügen nachzugehen. Deswegen wird keinem vorgeworfen, er sei abgesprungen oder gar ein Außenseiter, nur weil er die verschiedensten Angebote ausprobiert – Enttäuschungen natürlich nicht ausgeschlossen. Das Entscheidende, das wir von einem Karussell lernen – mag es sich nun schnell oder langsam drehen, mag es uns hoch hinaufschleudern oder uns bedrohlich dem Erdboden nahekommen lassen: Es kommt nicht von der Stelle, weil es sich um sich selbst bewegt. Unser Leben braucht zwar die Erfahrungen des Festes – und genau deshalb gibt es das Volksfest: aber eben nur einmal im Jahr. Für mich heißt das: Das Leben ist weit mehr. Also pass auf, sonst trittst du auf der Stelle.

Es macht keinen Sinn, auf Dauer in einer Kabine eingeschlossen zu sein oder ständig an einer Kette zu hängen. Vor allem darf man sich eben auch nicht ewig um die eigene Achse drehen. Denn dann ginge es uns Menschen wie einem Karussell: Wir kämen nicht voran. Wir würden uns auf der Stelle drehen. Dabei ist die Gefahr groß, dass wir uns dann immer tiefer in den Boden hineindrehen und am Ende nicht einmal mehr über den Rand des Loches blicken können, dass wir selbst gebohrt haben. Das Wesentliche unseres Glaubens hat uns Jesus doch unterwegs mitgeteilt. Das erinnert uns daran, was das Leben wirklich ist: nämlich ein Weg. Für die ersten Christen war diese Erkenntnis so wichtig, dass sie ihre Bewegung den „neuen Weg“ nannten. Sicher: Der Rummelplatz kann für eine kurze Zeit so etwas wie ein Rastplatz sein. Doch das Leben geht im wahrsten Sinne des Wortes „weiter“. Dann ist es gut, den richtigen Begleiter an der Seite zu haben.

Wer aufs Volksfest geht, weiß die Versprechungen und Angebote einzuschätzen. Selbst der Hauptgewinn in einer Losbude ist vorläufig und nie das ganze Glück. Jeder weiß es, der sein Karussell nach den gedrehten Runden verlässt. Ich frage mich manchmal, warum so viele Menschen Heilsversprechungen nachrennen, wenn sie im Stil eines Rummelplatzes daherkommen oder unhaltbare Zusagen machen. Das Angebot Jesu kommt da viel einfacher daher. Es ist die Einladung, seinen Weg zu teilen und heilsame Begegnungen zu machen. Die von den Menschen als „Sünderin“ eingestufte Frau geht aufgerichtet aus der Begegnung mit Jesus heraus und kann ein neues Leben beginnen. Alle Feste, die wir feiern, alle Begegnungen, auf die wir uns einlassen, alle Erfahrungen, die wir machen, haben nur dann einen Wert für unser Leben, wenn sie uns aufrichten und weitersehen lassen.

Die Frauen und Männer um Jesus haben genau diese Erfahrung gemacht. Er sorgte dafür, dass sie offen wurden für ihre Mitmenschen und nicht mehr nur um sich selbst kreisten. Er lehrte sie, dass Gott sich in den Gesichtern der Menschen zeigt, und dass Gottes Reich schon angebrochen ist, wo genau diese Erfahrung gemacht wird. Und er wollte, dass mindestens zwei oder drei unter seinem Namen beisammen sind; denn sonst wird das Leben nicht gelebt und das Fest fällt aus…

Herzlichst, Ihr

Bertram Bolz, Diakon

Kath. Touristen- und

Residentenseelsorger

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