„Mutter Courage“ muss nicht ins Gefängnis
(von Wochenblatt)
Der tragische Fall der kleinen Piedad
Weil sie sich unbeirrt für ihre kleine Pflegetochter Piedad einsetzte, selbst als dies bedeutete, gegen das Gesetz zu handeln, sollte Soledad Perera für neun Monate wegen schweren Widerstands gegen die Gerichtbarkeit ins Gefängnis.
Knapp drei Monate nach der polemischen Urteilsverkündung entschied das Landgericht von Las Palmas jetzt, sämtliche Urteile, die gegen Soledad Perrera noch nicht vollstreckt worden waren, zu einer Strafe zusammenzufassen. Dadurch verschärfte sich das Urteil jedoch nicht, sondern ganz im Gegenteil: Perera wurde jetzt nur noch zu drei Monaten Haft verurteilt, was bedeutet, dass sie nicht ins Gefängnis muss. Das Landgericht hielt Pereras Widerstand gegen die Gerichtsbarkeit für nicht „schwerwiegend“ genug, um sie ins Gefängnis zu schicken.
In den Mühlen der Justiz
Das Wochenblatt verfolgt den tragischen Fall der kleinen Piedad seit 2006. „Piedad“ (ihrer wahrer Name wird geheim gehalten) kam mit sieben Monaten in ein Pflegeheim, nachdem das Jugendamt der leiblichen Mutter die Vormundschaft aberkannt hatte, weil diese mit ihrem Baby auf der Straße lebte. 2004 wurde sie zur Adoption freigegeben. Und einmal in ihrem Leben lachte dem kleinen Mädchen das Glück. Eine Familie aus La Orotava nahm sie in einem sogenannten Pflegschaftverhältnis auf, einer Vorstufe zur Adoption. 2006 forderte die leibliche Mutter Ángeles Suárez Santana jedoch plötzlich ihr Kind zurück. Und der Richter entschied zugunsten der Mutter. Inzwischen war „Piedad“ fünf Jahre alt.
Obwohl die Pflegemutter Soledad Perera wie eine Löwin um Piedad kämpfte, blieben die Richter hart. Im März 2007 erging eine Verfügung, nach der das Kind als „Präventivmaßnahme“ dem Jugendamt überstellt werden und in ein Kinderheim kommen sollte. Doch Soledad Perera gab „Piedad“ nicht heraus. Zu diesem Zeitpunkt wurde sie bereits zu einem Bußgeld von 3.000 Euro verurteilt. Am 26. April forderte das Gericht von Las Palmas die Überstellung des Kindes an die Gerichtsbarkeit von La Orotava „mit allen Mitteln“, selbst durch eine Hausdurchsuchung. Am 27. April standen die Gerichtsvertreter bei Soledad Perera vor der Tür. Doch die Familie war nicht da. Am 2. Mai 2007 forderte das Gericht Soledad Perera auf, den Aufenthaltsort von „Piedad“ bekanntzugeben und das Kind binnen 24 Stunden der Gerichtsbarkeit zu überstellen. Andernfalls werde ihr ein Verstoß gegen die Pflegschafts-Gesetze sowie Widerstand gegen die Gerichtsbarkeit angelastet. Die Verwarnung wurde Soledad Perera auch ordnungsgemäß am 3. Mai zugestellt, doch am 4. Mai war die Familie nicht mehr auffindbar. Eine Freundin der Familie öffnete dem Gerichtsvertreter und erklärte, sie wisse weder, wo die Familie sich aufhalte, noch wann sie wiederkäme. Bei einem weiteren Versuch wurde die Tür gar nicht mehr geöffnet, „obwohl zu hören war, dass drinnen Leute waren“.
Schlussendlich konnte das Verfahren nicht länger aufgehalten werden. „Piedad“ wurde der Gerichtsbarkeit überstellt und ihrer leiblichen Mutter übergeben. Diese stellte jedoch nach kurzer Zeit fest, dass sie der Aufgabe nicht gewachsen war, ganz wie Soledad Perera von Anfang an befürchtet hatte. So kam „Piedad“ wieder ins Kinderheim. Der Kontakt mit der ehemaligen Pflegefamilie ist untersagt. Das Jugendamt sucht inzwischen eine neue Pflegefamilie für sie.