Keine Gnade für „Piedad“
(von Wochenblatt)
Ein Trauerspiel in mehreren Akten
„Piedad“ (Gnade) ist der bezeichnende Deckname für ein kleines Mädchen, dessen erschütterndes Schicksal die Öffentlichkeit seit Jahren bewegt. Doch Justitia ist nun einmal blind und kennt keine Gnade, auch nicht für die kleine „Piedad“, die in den Mühlen der Justiz hängt.
Das Wochenblatt berichtet seit 2006 über den Fall, in dem ein kleines Mädchen seiner Pflegefamilie entrissen und zum Opfer der Paragraphen geworden ist.
Jetzt hat das Gericht von Las Palmas sein Urteil gegen die Pflegemutter bestätigt: 9 Monate Haft für Soledad Perera wegen schweren Widerstands gegen die Gerichtsbarkeit.
Soledad Perera hat dies im Prozess heftig abgestritten und auf Gutachten hingewiesen, in denen vor „schweren und irreversiblen Schäden“ gewarnt wird, die „Piedad“ erleiden würde, wenn sie den Behörden übergeben würde. „Ich habe meine Tochter nie als mein Eigentum betrachtet. Ich habe allerdings die Zuneigung, die in diesen Jahren zwischen ihr und unserer Familie gewachsen ist, höher bewertet und mich auf mein Einspruchsrecht berufen, weil ich vor allem die Interessen des Kindes vertreten wollte.“
Die tragische Geschichte der kleinen „Piedad“
„Piedad“ kam mit 7 Monaten in ein Pflegeheim, nachdem das Jugendamt der Mutter die Vormundschaft aberkannt hatte, weil diese mit ihrem Baby auf der Straße lebte. 2004 wurde sie zur Adoption freigegeben. Und einmal in ihrem Leben lachte dem kleinen Mädchen das Glück. Eine Familie aus La Orotava nahm sie in einem sogenannten Pflegschaftverhältnis auf, einer Vorstufe zur Adoption. 2006 forderte die leibliche Mutter Ángeles Suárez Santana jedoch plötzlich ihr Kind zurück. Und der Richter entschied zugunsten der Mutter. Inzwischen war „Piedad“ fünf Jahre alt.
Die Pflegemutter Soledad Perera kämpfte wie die sprichwörtliche Löwin um ihr Junges. Abgesehen davon, dass sie selbst, ihr Mann und ihre Kinder „Piedad“ heftigst vermissen würden, habe die Kleine selbst inzwischen derart starke Bindungen zu ihrer Pflegefamilie entwickelt, dass ihr die Trennung von dem gewohnten und geliebten familiären Umfeld schwere seelische Traumata verursachen würde. Außerdem wage sie zu bezweifeln, dass die leibliche Mutter tatsächlich in der Lage sei, das Kind zu versorgen.
Es fanden Kundgebungen statt, an denen sogar Politiker teilnahmen, die sich dafür einsetzten, dass „Piedad“ bei ihrer neuen Familie bleiben sollte. Umsonst. Umsonst auch alle gerichtlichen Eingaben von Soledad Perera gegen das Urteil. Im März 2007 erging eine Verfügung, nach der das Kind als „Präventivmaßnahme“ dem Jugendamt überstellt werden und in ein Kinderheim kommen sollte. Doch Soledad Perera gab „Piedad“ nicht heraus. Zu diesem Zeitpunkt wurde sie bereits zu einem Bußgeld von 3.000 Euro verurteilt.
Am 26. April forderte das Gericht von Las Palmas die Überstellung des Kindes an die Gerichtsbarkeit von La Orotava „mit allen Mitteln“, selbst durch eine Hausdurchsuchung. Am 27. April stand die Gerichtsbarkeit bei Soledad Perera vor der Tür. Die erklärte rundheraus, „Piedad“ befinde sich nicht in der Wohnung, und sie wisse nicht, wann sie zurückkäme. Außerdem habe sie bereits Einspruch gegen die Verfügung eingelegt und sie wolle lediglich die Interessen des Kindes mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln wahren.
Am 2. Mai 2007 forderte das Gericht Soledad Perera auf, den Aufenthaltsort von „Piedad“ bekanntzugeben und das Kind binnen 24 Stunden der Gerichtsbarkeit zu überstellen. Andernfalls werde ihr ein Verstoß gegen die Pflegschafts-Gesetze sowie Widerstand gegen die Gerichtsbarkeit angelastet. Die Verwarnung wurde Soledad Perera auch ordnungsgemäß am 3. Mai zugestellt, doch am 4. Mai war die Familie nicht mehr auffindbar. Eine Freundin der Familie öffnete dem Gerichtsvertreter und erklärte, sie wisse weder, wo die Familie sich aufhalte, noch wann sie wiederkäme. Bei einem weiteren Versuch wurde die Tür gar nicht mehr geöffnet, „obwohl zu hören war, dass drinnen Leute waren“.
Schlussendlich konnte das Verfahren nicht länger aufgehalten werden. „Piedad“ wurde der Gerichtsbarkeit überstellt und ihrer leiblichen Mutter übergeben. Diese stellte jedoch nach kurzer Zeit fest, dass sie der Aufgabe nicht gewachsen war, ganz wie Soledad Perera von Anfang an befürchtet hatte. So kam „Piedad“ wieder ins Kinderheim. Der Kontakt mit der ehemaligen Pflegefamilie ist untersagt. Das Jugendamt sucht inzwischen eine neue Pflegefamilie für sie.
Gerechtigkeit?
Bereits im Februar 2009 war der Fall vor einer Richterin verhandelt worden, die neun Monate Haft für die aufmüpfige Pflegemutter anordnete. Das Urteil wurde damals angefochten, weil der Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden hatte. Nun hat Richterin Ana Belén Montero das 9-monatige Hafturteil für Soledad Perera bestätigt. Im Urteil heißt es weiter, dass die Angeklagte für sämtliche Gerichtskosten aufkommen muss. Dass Frauen „menschlicher“ denken als Männer, scheint ein Relikt aus Zeiten vor der Gleichberechtigung zu sein. Der Angeklagten wurden 10 Tage Frist eingeräumt, um Einspruch einzulegen. Doch verloren hat sie in jedem Fall. Nämlich die kleine „Piedad“.